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Mittwoch, 11. Januar 2017

„Von Beruf Schriftsteller“ von Haruki Murakami

Mit „Von Beruf Schriftsteller“ gewährt Haruki Murakami seinen Fans einen mehr als interessanten Einblick in seine Schreibwerkstatt. Darüber hinaus erfährt der Leser auch mehr über die Person des Haruki Murakami; wie der Autor denn generell so tickt:

„Man unterteilt Menschen ja manchmal in Hunde- und Katzentypen. Ich halte mich vornehmlich für einen Katzencharakter. Sobald mir jemand sagt, ich solle nach links gehen, gehe ich nach rechts und umgekehrt. Mitunter schäme ich mich etwas dafür, aber es ist im Guten wie im Schlechten meine Natur.“ (S. 154)

Aber zurück zum Thema Literatur à la Haruki Murakami. Wer sich schon etwas mit dem Autor beschäftigt hat, der weiß, dass ihm die Idee, einen Roman zu schreiben, mehr oder weniger spontan während eines Baseballspiels im Jahre 1978 kam. Daraufhin entstanden seine „Küchentisch-Romane“ „Wenn der Wind singt“ und „Pinball 1973“, die er am Feierabend, nach Schließung seiner Jazz-Bar, am heimischen Küchentisch schrieb. Für Haruki Murakami bedeutet dies, schriftstellerisch tätig zu sein:

„Ein Schriftsteller erzählt Geschichten. Das ist die Basis. Und Geschichten zu erzählen bedeutet mit anderen Worten, in die unteren Schichten des Bewusstseins vorzudringen. Auf den Grund der Dunkelheit des Herzens. Je größer die Geschichte ist, die ein Autor erzählen will, desto tiefer muss er hinabsteigen. Es ist nichts anderes, als wenn man ein großes Gebäude bauen will und für das Fundament einen sehr tiefen Keller ausheben muss. Und je dichter er die Geschichte erzählen will, desto massiver und beklemmender wird die Dunkelheit in diesem Keller.“ (S. 135)

Da muss man doch direkt an die Handlung von „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“ denken oder das Motiv des Brunnens z.B. in „Mister Aufziehvogel“.

Laut Haruki Murakami zeichnet einen langfristig erfolgreichen Autor vor allem seine Beharrlichkeit aus. Ein schriftstellerisches Talent kann direkt an der Oberfläche liegen oder tief vergraben – und wie bei Haruki Murakami selbst erst durch eine plötzliche Eingebung zu Tage treten. Zudem muss ein Schriftsteller Material sammeln, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen, um sich ein inneres Archiv anzulegen:

„Die Welt mag langweilig wirken, doch in Wirklichkeit wimmelt es auf ihr von magischen, geheimnisvollen Rohdiamanten, die darauf warten, geschliffen zu werden. Schriftsteller sind Menschen, die einen besonderen Blick dafür haben, sie zu finden. Und das Wunderbare ist, sie sind kostenlos. Man braucht nur scharfe Augen, dann hat man die freie Wahl und kann so viele von diesen Kostbarkeiten aufsammeln, wie man nur will.“ (S. 100)

Geht es ans konkrete Schreiben, so zieht Haruki Murakami Parallelen zum Jazz: Der Rhythmik des Werks kommt besondere Bedeutung zu. Zudem sind außergewöhnliche Charaktere unentbehrlich. Der Autor muss sich für die einzelnen Etappen genügend Zeit nehmen – für die Vorbereitung, das Schreiben und vor allem die Überarbeitung. Zudem aber auch Zeit, um körperlich fit zu bleiben (dazu lohnt sich sicherlich auch die Lektüre von „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“).

Ein bisschen fühlt man sich auch an Niklas Luhmanns Systemtheorie erinnert, wenn Haruki Murakami schreibt:

„Schöpfer der Figuren ist natürlich der Autor, aber wirklich lebendige Figuren trennen sich an einem gewissen Punkt von ihrem Autor und beginnen eigenständig zu agieren.“ (S. 179)

So komponiert sich der Roman quasi selbst, der Autor formuliert nur noch die Handlung aus. Haruki Murakami bringt als Beispiel, dass „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ursprünglich gar nicht als Roman angedacht war. Doch die Figur der Sara Kimoto habe den Impuls gegeben, dass die Handlung weiter geführt werden müsse. Oder aber auch, dass Aomame in „1Q84“ den Autor quasi beim Schreiben permanent angetrieben habe.

Wie eingangs schon erwähnt: Für Fans bietet „Von Beruf Schriftsteller“ die einmalige Gelegenheit, Haruki Murakami quasi über die Schulter zu schauen. Wer dessen Werke allerdings nicht kennt oder sich ausführliche Tipps im Sinne von Schreibanleitungen verspricht, der sollte lieber zu einem anderen Buch greifen.

Bibliographische Angaben:
Murakami, Haruki: „Von Beruf Schriftsteller“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Dumont, Köln 2016, ISBN 978-3-8321-9843-5

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