Labels

Montag, 8. Juli 2024

„Das Dorf der acht Gräber“ von Seishi Yokomizo

Einst sollen acht flüchtende Samurai in das Dorf der acht Gräber gekommen sein, das damals noch einen anderen Namen hatte. Die Samurai sollen einen Goldschatz mit sich geführt haben, um damit einen Gegenangriff auf eine verfeindete Armee vorzubereiten. Doch durch die Geldgier der Dorfbewohner und durch die Veranlassung des ortsansässigen Grundherrn Tajimi wurden die Samurai getötet – das Gold allerdings wurde nie gefunden.

Seitdem gilt den abergläubischen Bewohnern das Dorf verflucht. Verflucht von den acht toten Samurai, die ihren Tribut in Form von Menschenblut fordern. So lief sowohl der Grundherr selbst Amok, sowie Jahrhunderte später sein Nachkomme Yozo.

Soviel zur Vorgeschichte. Die eigentliche Handlung setzt mit einer Nachricht an den in Kobe lebenden, jungen Mann Tatsuya ein: Er sei der uneheliche Sohn des Grundherrn von Acht Gräber und soll dessen Erbe antreten, da die ehelichen Kinder zu krank und schwach seien, um die Linie fortzusetzen. Doch kaum hat Tatsuya diese Neuigkeiten vernommen, geschieht noch in Kobe der erste Giftmord an dessen Großvater mütterlicherseits. Davon lässt sich Tatsuya nicht aufhalten: Er beschließt, sein potenzielles Erbe anzutreten und bricht trotz der schlechten Vorzeichen nach Acht Gräber auf.

Der Giftmörder geht aber auch hier ans Werk. Kaum ist Tatsuya angekommen, sterben weitere Menschen. Die abergläubischen Dorfbewohner sind sich sicher: Tatsuya ist genauso wahnsinnig wie sein Vater Yozo und muss aus dem Verkehr gezogen werden, bevor es weitere Opfer gibt.

Währenddessen ist Tatsuya nicht untätig. Im Rahmen seiner Möglichkeiten stellt er eigene Nachforschungen an, die ihn jedoch nicht unverdächtiger machen.

Glück für Tatsuya, dass der Ermittler Kosuke Kindaichi gerade im Dorf weilt. Anders als bei den bisher übersetzten Romanen der Kosuke Kindaichi-Reihe kommt der Ermittler aber kaum im Roman vor. Tatsuya ist der eigentliche Protagonist, aus dessen Ich-Perspektive das Werk geschrieben ist. Kosuke Kindaichi ist eher eine Randfigur, die aber – natürlich – zum Schluss für die vollständige Aufklärung des Falles sorgt.

Tatsächlich ist auch der Fall von Seishi Yokomizos „Das Dorf der acht Gräber“ so verzwickt, dass der Leser bis zum Schluss nicht ahnen kann, wer hinter den Morden steckt. Durch Tatsuyas Perspektive ist die Lektüre spannender als die Vorgängerromane. Hat definitiv viel Spaß gemacht und ist meine Empfehlung für das Sommerurlaubsbuch 2024.

Bibliographische Angaben:
Yokomizo, Seishi: „Das Dorf der acht Gräber“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Blumenbar, Berlin 2024, ISBN 978-3-351-05120-4

Sonntag, 7. Juli 2024

„Der Profi“ von Kotaro Isaka

Kabuto, der Protagonist in Kotaro Isakas „Der Profi“, führt ein Doppelleben. Seiner Familie, bestehend aus Ehefrau und herangewachsenem Sohn, gaukelt er seit Jahr und Tag vor, dass er nur ein  harmloser Angestellter einer Firma für Bürobedarf ist. Doch da sind auch die Besuche beim Doktor, der Kabuto mit Mordaufträgen versorgt. 

Kabuto möchte allerdings nach Jahren des Mordens nicht mehr: Er hat genug von dem Killerbusiness und will endlich aussteigen. Das will der Doktor allerdings nicht zulassen. Ein Machtspiel beginnt – wird es Kabuto gelingen, lebend aus der allzu verfahrenen Situation raus zu kommen?

Der Doktor ist jedoch nicht Kabutos einzige Sorge. Vielmehr ist sein familiärer Alltag ein einziger Eiertanz. Er möchte seine Ehefrau partout nicht verärgern und versucht, ihr alles recht zu machen. Der Sohn Katsumi beobachtet diese Wesenheit seines Vaters mit Verwunderung. Hat der Vater etwa Angst vor der Mutter?

Wer von „Der Profi“ dasselbe Tempo wie von „Bullet Train" und „Suzukis Rache“ erwartet, der wird eher enttäuscht sein. Denn die geradezu hanebüchenen Geschehnisse, die in den anderen beiden Romanen Schlag auf Schlag erfolgen, bleiben (zum Großteil) aus. Kotaro Isaka räumt dem Familienleben des Pantoffelhelden Kabuto enorm viel Raum ein. Auch der permanente Perspektivwechsel, der „Bullet Train“ und „Suzukis Rache“ ausmacht, fehlt nahezu. Alte Bekannte der Killerszene dürfen aber auch in „Der Profi“ nicht fehlen: Unter anderem hat der Pusher hat einen kleinen Auftritt, Momo versorgt Kabuto mit Informationen und Tangerine und Lemon wird ein bisschen nachgetrauert.

Die Handlung und die Verteilung der Höhepunkte von „Der Profi“ fand ich zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Zwischendurch fand ich die Lektüre sogar ein bisschen zäh. Das Ende wird aber – versprochen – erneut furios und überraschend, wie man es vom Autor gewohnt ist.

Bibliographische Angaben:
Isaka, Kotaro: „Der Profi“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Hoffmann und Campe, Hamburg 2024, ISBN 978-3-455-01726-8

Samstag, 8. Juni 2024

„Hundeherz“ von Hiromi Ito

Sollte mein werter Gatte wieder mal mit dem Wunsch um die Ecke kommen, man möge doch einen Hund als Haustier anschaffen, werde ich ihm erst mal Hiromi Itos „Hundeherz“ zum Lesen geben. Denn wie die Autorin auch selbst treffend in ihrem Buch schreibt, geht es in dem Werk als auch im Hundeleben sehr viel um das wenig appetitliche Thema Fäkalien. Die Liebe zum Haustier sollte also schon sehr ausgeprägt sein, wenn man ständig mit Grundreinigung konfrontiert ist.

„Ich befürchte, Ihnen als Lesern wird es langsam unangenehm, dass hier immer wieder von Fäkalien die Rede ist. […] Vielleicht sollte ich als Untertitel hinzufügen: ‚Nicht während des Essens lesen‘! Aber seien wir ehrlich, das Leben mit Hund dreht sich um Kacke.“ (S.  70)

Hiromi Itos Tierliebe ist jedenfalls groß. In ihrem Buch „Hundeherz“ porträtiert sie vor allem die letzten Lebensjahre ihrer alten Schäferhündin Take. Da Take aber nicht der einzige Hund im Haushalt (und erst recht nicht das einzige Haustier) ist, geht es auch um ihr Verhältnis zu den Artgenossen und die Fäkalien anderer Tiere.

Parallel zu Takes Verfall verläuft der Alterungsprozess von Hiromi Itos Vater, der in Japan lebt, während die Autorin zwischenzeitlich in die USA übergesiedelt ist.

„Mein Vater ist so schwach, dass er mit offenem Mund schläft, wie eine Mumie kurz vor der Vollendung. Take liegt mit schlaffen Gliedmaßen da, wie ein toter Kojote am Straßenrand.“ (S. 34)

Auch wenn das Thema des Alterns und Sterbens kein erquickliches ist, so schreibt Hiromi Ito mit einem Augenzwickern und humorvollen Ton, der direkt an den Leser gerichtet ist. Ein, zwei Tränen werden dem Leser aber dennoch über die Wange laufen, sobald Takes letzter Tag vergangen sein wird. Ich bin zwar kein ausgesprochener Hundefreund, aber dank Hiromi Itos Schreibstil habe ich „Hundeherz“ trotzdem sehr genossen.

Bibliographische Angaben:
Ito, Hiromi: „Hundeherz“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Hijiya-Kirschnereit, Irmela), Matthes & Seitz, Berlin 2024, ISBN 978-3-7518-0966-5

Sonntag, 5. Mai 2024

„Das Mondscheincafé“ von Mai Mochizuki

Irgendwie habe ich den Eindruck, die Neuveröffentlichungen waren vielfältiger, als das Japanese Literature Publishing Project noch aktiv war. Momentan kommen so viele Romane auf den Markt, die diesem Schema folgen: Person 1 kommt in ein Café/Restaurant bzw. eine Buchhandlung und bekommt dort auf mystische Weise Tipps für den künftigen Lebenswandel. Person 2, die (optional) irgendwie mit Person 1 bekannt ist, wird ebenfalls mit lohnenswerten Lebenstipps versorgt. Dann taucht Person 3 auf… und so weiter… und so fort. Der Erfolg scheint diesen Büchern (momentan noch) recht zu geben.

Mai Mochizukis Variante dieses derzeitigen Erfolgsrezepts: In Kioto erscheint zu Vollmondnächten das Mondscheincafé, das von Katzen betrieben wird. Serviert wird nicht nach Wunsch, auf den Tisch kommt eine Spezialität, die eigens für jeden Gast kredenzt wird. 

Zudem werden die Gäste in das westliche Horoskop eingeweiht. Aus ihrem persönlichen Horoskop können sie im Anschluss ablesen, auf welche Stolpersteine sie künftig achten müssen, um ihr Leben glücklicher zu gestalten. So geschieht es z.B. der einstmals erfolgreichen Drehbuchautorin, deren Werke plötzlich so gar nicht mehr gefragt sind. Oder auch der jungen Schauspielerin, deren Karriere nach einer Affäre mit einem verheirateten Mann ins Straucheln geraten ist.

Alles in allem harmlose, nette Unterhaltung, die sich schnell wegkonsumieren lässt. Manchmal hat man ja den Bedarf nach simplem Entertainment. Allerdings hätte man die Stimmung im Mondscheincafé sicher atmosphärischer gestalten können und den Katzen untereinander noch mehr Wortgefechte zustehen können. Die Details zu den Horoskopen waren auch nicht meins – aber da tickt natürlich jeder anders.

Bibliographische Angaben:
Mochizuki, Mai: „Das Mondscheincafé“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine & Luginbühl, Yukiko), DTV, München 2024, ISBN 978-3-423-35227-7