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Donnerstag, 29. September 2016

„Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto

Der neue Kurzroman „Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto hat mich leider nicht sonderlich überzeugt. Auf knapp 160 Seiten geht aus um typische Yoshimoto-Themen, die eigentlich das Zeug für ein interessantes Werk haben: Verlust durch Tod, die große Liebe des Lebens, Freundschaften und Grenzgänge.

Die Protagonistin Sayoko und ihr Freund Yoichi hatten einen schweren Autounfall, bei dem Yoichi ums Leben kommt. Sayoko hatte eine Nahtoderfahrung: In der Zwischenwelt trifft sie auf ihren verstorbenen Hund und ihren Großvater, den sie besonders ins Herz geschlossen hatte. Der Großvater schickt sie zurück ins Reich der Lebenden; ihre Zeit dort ist noch nicht abgelaufen.

Sayoko tut sich anfangs natürlich schwer, zurück in einen Alltag zu finden. Ihre körperlichen Verletzungen müssen erst ausheilen; ganz zu schweigen von den seelischen. Die Hoffnung, von Yoichi schwanger zu sein, zerschlägt sich leider jäh, als sie ihre Periode bekommt. Sie zieht zurück zu ihren Eltern, die aber auch nicht so recht wissen, wie sie ihrer Tochter weiterhelfen können. Denn Sayoko hat sich verändert: Seit der Nahtoderfahrung kann sie Geister sehen, was sie jedoch nicht weiter stört, sondern als natürliche Folge ihres Grenzgangs zwischen den Welten empfindet.

Interessant wird der Kurzroman, als zwei Männer auftauchen, die ebenfalls ein Gespür für das Übersinnliche haben. Da wäre einerseits der schwule Ataru, der seine geliebte Mutter plötzlich verloren hat. Die Mutter erscheint regelmäßig als Geist in einer alten Villa, in der sie früher gewohnt hatte. Für Sayoko wird das Zimmer von Atarus Mutter zur neuen Heimat - und Ataru wird gewissermaßen zu einer Art WG-Mitbewohner.

Und dann ist da noch der Barbesitzer Shingaki, in dessen Kneipe Sayoko Stammgast ist. Der aus Okinawa stammende Shingaki sieht ebenfalls Geister und empfiehlt Sayoko zum Unfallort zurückzukehren, um dort ihren Nabel (sprich: ihre Seele) aufzulesen, den sie dort verloren hat.

An sich sind die Zutaten für einen ordentlichen Banana Yoshimoto-Roman in „Lebensgeister“ enthalten. Doch leider wirkt er auf mich ein bisschen halbgar und schal. Das mag daran liegen, dass ein stärkerer Fokus auf Sayokos Beziehungen zu Ataru und Shingaki der Handlung sicherlich gut getan hätte. Stattdessen werden Begegnungen mit Personen illustriert, die eigentlich nicht viel zum Plot beitragen. Dabei sind ausgearbeitete Beziehungskonstellationen, die zur „Heilung“ einer Person führen, doch gerade die Spezialität der Autorin. Statt dessen springt die Handlung von Tokio nach Kioto, von der einen Bar zur anderen, von einer Person zur nächsten. So fängt der Roman den Leser leider bei Weitem nicht so ein, wie andere Banana Yoshimoto-Werke.

Bibliographische Angaben:
Yoshimoto, Banana: „Lebensgeister“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Eggenberg, Thomas), Diogenes, Zürich 2016, ISBN 978-3-257-30042-0

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