Gleich zu Beginn von Tetsuya Hondas „Blutroter Tod“ lernt
der Leser den Schurken des Romans aus der Ich-Perspektive kennen: Der Täter
bringt im Alter eines Schülers seinen drogensüchtigen, gewalttätigen Vater und
seine ebenfalls drogensüchtige Mutter um. Sonst ist die Welt des Mörders grau
in grau – erst als das Blut der Eltern fließt, nimmt er das fantastische Rot
wahr. Der Grundstein für das kommende Blutvergießen ist gelegt…
Eines Tages wird Reiko Himekawa, Hauptkommissarin bei der
Mordkommission von Tokio, zu einem Tatort gerufen. Am Rande eines Sees wurde
eine Leiche abgeladen. Sie ist von Wunden übersät. Es scheint so, als sei das
Opfer gefoltert worden, bevor ein Schnitt durch die Kehle das Leben des Mannes
beendet hat. Was sich die Ermittler allerdings nicht erklären können: Warum
wurde dem Opfer post mortem der Bauch aufgeschlitzt? Und warum wurde die Leiche
an einer Stelle abgelegt, an der man den Toten sofort auffinden würde?
Insbesondere da die der Tote recht professionell in eine Plastikplane
eingewickelt wurde, was eher darauf schließen lassen würde, dass die Leiche
dazu angedacht war, in der Versenkung zu verschwinden.
Bald kann das Opfer identifiziert werden. Es ist ein
Sales-Manager einer Leasingfirma für Büromaterial. Nichts außer enormem Fleiß
ist ungewöhnlich an dem Mann oder lässt auf kriminelle Verbindungen schließen.
Fast stecken die Ermittler in einer Sackgasse.
Als Reiko Himekawa jedoch den Tatort nochmals inspiziert,
kombiniert sie den ungewöhnlichen Tod eines jungen Mannes mit ihrem aktuellen
Fall. Sie kommt zu dem Schluss: Auf dem Grund des Sees müssen noch mehr Leichen
liegen. Auch wenn sie ihren Ruf aufs Spiel setzt, initiiert sie einen
Tauchereinsatz, um den See abzusuchen. Und tatsächlich: Eine weitere Leiche
wird entdeckt.
Doch das Team steht nun vor einer neuen Herausforderung: Zwischen
dem ersten und dem zweiten Toten lässt sich erstmal keinerlei Verbindung
herstellen. Schließlich kommt doch noch ein entscheidender Tipp aus dem Umfeld
des zweiten Toten, der einen Ermittler aus Reiko Himekawas Team zu einem
gefährlichen Alleingang veranlasst…
Auch wenn der Leser schon eine vage Ahnung von dem Mörder
bekommt, sind die wahren Verquickungen erst am Ende des Romans geklärt, was für
genügend Spannung sorgt. Das einzige, was mich etwas gestört hat, war die
Darstellung der Reiko Himekawa. Im Klappentext wird sie als cool, tough, clever
und als „beste Ermittlerin der Mordkommission“ angekündigt. Doch sie wirkt
recht verletzlich in der Männerdomäne der meist älteren, männlichen Ermittler.
Ein einschneidendes Erlebnis in der Jugend von Reiko Himekawa hat sie
veranlasst, zur Polizei zu gehen. Allerdings ist dies ein großer Angriffspunkt
für Reikos Erzrivalen, den rücksichtslosen Katsumata. Diesem gelingt es immer
wieder, Reiko aus der Fassung zu bringen. Schließlich konkurrieren beide, wer
den Fall schneller löst. Während Katsumata Fakten sammelt, verlässt sich Reiko
auf ihr Bauchgefühl. Die letzte Eingebung Reikos gegen Ende des Romans war mir
etwas zu sehr an den Haaren herbei gezogen.
Insbesondere die Figur des Streifenpolizists Ioka hat für
ein bisschen Amüsement gesorgt. Der Kerl ist Reiko besonders unangenehm, wird
aber ausgerechnet ihr als Partner zugeteilt. Auch wenn er zunächst mit seinen
Annäherungsversuchen einfach nur nervt, so zeigt sich doch, dass er ein großes
Herz hat und sogar Reikos Leben retten kann. Schade, dass in einem Roman um
eine Frau, gerade die männlichen Charaktere überzeugen…
Im Dezember 2017 veröffentlicht der Fischer Verlag
voraussichtlich den zweiten Teil der Reiko Himekawa-Serie, der bisher nur mit
dem englischsprachigen Titel „Soul Cage“ angekündigt wurde. Sicherlich wird’s
dann auch wieder spannend – und ich hoffe, dass Ioka wieder mit von der Partie
sein wird!
Bibliographische Angaben:
Honda, Tetsuya: „Blutroter Tod“ (Übersetzung aus dem
Englischen: Gabler, Irmengard), Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2016,
ISBN 978-3-596-03666-0
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen