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Freitag, 13. März 2015

„Der Gast im Garten“ von Takashi Hiraide

Ende der 80er bezieht der Ich-Erzähler, hinter dem niemand anderes als der Autor Takashi Hiraide selbst steht, zusammen mit seiner Ehefrau ein Gartenhaus in der Blitzgasse. Die Blitzgasse, die sicherlich einen anderen offiziellen Namen trägt, wird so wegen ihrer Form, die an einen Blitz erinnert, genannt. Für das Ehepaar ist es ein Neuanfang: Ausgelaugt fliehen sie aus Tokio in das ruhige Gartenhaus in einem Vorort. Hier kommt der Ich-Erzähler zu einem wegweisenden Entschluss: Seinen eintönigen, unbefriedigenden Job als Lektor möchte er an den Nagel hängen und sich künftig ganz dem Schreiben eigener Werke widmen.

Bald gehört zu dem kleinen Haushalt auch die Katze Chibi aka Glöckchen wie natürlich dazu. Eigentlich hatte der Nachbarsjunge die Streunerin als seine Katze aufgenommen. Doch Chibi ist ganz Katze und sucht sich ihre Besitzer lieber selbst aus. Mit der exzentrischen Chibi wirken das Gartenhaus und damit die kinderlose Familie endlich komplett.

Doch nichts bleibt ewig wie es ist: Das Schicksal kann niemand beeinflussen; man muss es nehmen, wie es kommt. Da der nebenan wohnende Besitzer des Gartenhauses immer kränker wird, zieht er zusammen mit seiner Ehefrau in ein Altersheim. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Anwesen verkauft wird und die schöne Zeit im Gartenhaus zusammen mit Chibi endet.

In 29 Kapitelchen erzählt Takashi Hiraide mit „Der Gast im Garten“ einen Ich-Roman, der auf wahren Tatsachen beruht. Und auch wenn Chibi einen großen Anteil am Geschehen hat, ist das Werk nicht nur ein Roman für Katzenliebhaber. Denn allerlei Momentaufnahmen sorgen für schöne Eindrücke ganz Abseits von Chibis Existenz: Da ist zum Beispiel die Begegnung mit der Silberlibelle, der der Ich-Erzähler beim Wässern des Gartens zu trinken gibt. Oder die Entdeckung eines Astlochs im Zaun, das als Camera obscura die Geschehnisse hinterhalb des Zauns aufs Küchenfenster projiziert.

Takashi Hiraide, dessen literarische Anfänge im Dichten liegen, gelingt es mit wenigen Worten, zauberhafte Stimmungen heraufzubeschwören. Illustrationen von Quint Buchholz verstärken den luftigen Charakter von „Der Gast im Garten“ zudem.

Sicherlich ist das Thema der Flüchtigkeit des Daseins speziell in der japanischen Literatur kein Untypisches, aber in „Der Gast im Garten“ wird das Sujet so sachte und geradezu spielerisch aufgenommen, dass der knapp 130 Seiten umfassende Roman ein wunderschönes, zart-bitteres Gefühl hinterlässt.

Bibliographische Angaben:
Hiraide, Takashi: „Der Gast im Garten“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Insel, Berlin 2015, ISBN: 978-3-458-17626-8

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