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Sonntag, 8. März 2015

„Weg zu Japan“ von Hisako Matsubara

Mit „Weg zu Japan“ versucht Hisako Matsubara einen Einblick in die japanische Mentalität und ins japanische Denken zu geben. Die Autorin steigt ein mit der Bambusweisheit, die den Japanern oft schon den Vorwurf der Verlogenheit eingebracht haben mag:

„Biegsam sein und sich unter dem Ansturm einer Gefahr neigen, ist eine alte Weisheit. Sie ist aus der Erfahrung mit der Natur erwachsen. Sie ist japanische Volksweisheit. Sie ist ein Stück Volksschläue. Was nützt es, wenn man trotzig aufrecht steht und dann bricht? Viel besser ist es, biegsam zu sein und seine Stärke für die Zeit nach dem Sturm zu bewahren. Das ist die Bambusweisheit.“ (S. 12f.)

Europäer reagieren in zwischenmenschlichen Konflikten mit Aggression, während Japaner mit Sanftheit reagieren. So wirken die Kommunikationsmechanismen wie die von Hund und Katze – Missverständnisse sind vorprogrammiert.

Hisako Matsubara versteht es darüber hinaus, wesentliche Geschehnisse in Japans Geschichte spannend nachzuerzählen: Sie beginnt mit den Großen Wirren, als im 16. Jahrhundert der Ashikaga-Clan in Erbstreitigkeiten lag, und denen Oda Nobunaga ein Ende setzte. Hisako Matsubara porträtiert den großen Feldherrn sehr anschaulich: Um seine politischen Gegner zu täuschen, gab er sich

„als der verrückteste aller Daimyo, dumm und harmlos, als ein Pferdenarr, der ständig in seinem Gebiet herumritt, Nüsse kaute und Obstkerne spuckte.“ (S. 57)

Dank des unter Nobunaga entstehenden Leistungsprinzips konnte Toyotomi Hideyoshi zum nächsten großen Herrscher in Japan aufsteigen. Als Bauerssohn begann er seine Karriere als Nobunagas Schuhknecht und wurde schließlich Kampaku, der Regent Japans.

Über einen dritten großen Mann der japanischen Geschichte, Ieyasu Tokugawa, der das Geschlecht der Tokugawa-Shogune begründete, weiß Hisako Matsubara ebenfalls viel zu berichten, z.B.

„Er nahm sich viele Nebenfrauen, legte aber wenig Wert auf deren Abstammung, Bildung oder Schönheit. Ihm war es wichtiger, dass sie ihm viele Söhne gebaren. Weil man bei einer unverheirateten Frau nie ganz sicher sein kann, ob sie Kinder haben wird, nahm er am liebsten junge Witwen, die schon geboren hatten.“ (S. 144)

Zentralen Stellenwert haben in „Weg zu Japan“ vor allem die Entwicklungen, die die christlichen Missionare in Japan heraufbeschwörten. Heutzutage ist (hoffentlich) jedem bekannt, dass die Missionare nicht nur den Glauben verbreiten, sondern vor allem Machtinteressen wahren wollten. Hisako Matsubara zeigt diesbegzüglich einige interessante historische Fakten auf, wie z.B. dass für die ersten Märtyrer eigentlich ein weniger schmerzhafter Tod angedacht war, die Wahl auf die Kreuzigung aber auf Initiative der Jesuiten fiel. Schließlich sollte mit dem Tod der Hingerichteten ein langfristiges Zeichen für die Leidensfähigkeit der Kirishitan gesetzt werden. Bisher unbekannt war mir auch, dass die Portugiesen japanische Kinder zu tausenden als Sklaven nach Europa schafften – leider überlebten die wenigsten die Überfahrt. Geradezu grotesk liest sich, dass zeitweilig eine Art von Märtyrertourismus einsetzte: Immer mehr katholische Mönche setzten nach Japan über, nur um doch bitte hingerichtet zu werden und den Märtyrertod sterben zu dürfen. Kein Wunder, dass die Weißen den Japanern nicht geheuer waren – und schließlich der Weg in die Isolation eingeschlagen wurde.

Ein bisschen nervig wirkt das Buch jedoch an den Stellen, an denen Hisako Matsubara immer wieder darauf insistiert, dass Japan nicht so „rückständig“ war, wie es von Europa oft betrachtet wurde. Z.B. hatte Tokio bereits Mitte des 18. Jahrhunderts circa 1,5 Mio. Einwohner, während die europäischen Hauptstädte noch sehr viel kleiner waren. Ich hoffe auch an dieser Stelle, dass man heutzutage niemandem mehr erklären muss, dass Europa nicht der Nabel der Welt ist (naja... einige wirre Geister natürlich ausgenommen...). Sicherlich ist seit den 80er Jahren, als „Weg zu Japan“ erschien, einige Zeit vergangen und ich kann es mir eigentlich nicht erlauben, zu beurteilen, ob Hisako Matsubaras Aufklärungsarbeit damals noch nötig war. Aber aus heutiger Sicht wirkt die oftmalige Rechtfertigungshaltung der Autorin etwas anstrengend.

Nichtsdestotrotz: „Weg nach Japan“ bietet viel Hintergrundwissen zur japanischen Geschichte – insbesondere auch aus religiöser und wirtschaftlicher Sicht. Dabei ist das Werk anschaulich und kurzweilig verfasst, dass es zum großen Teil Spaß macht, sich mit den Fakten zu beschäftigen.

Bibliographische Angaben:
Matsubara, Hisako: „Weg zu Japan“, Albrecht Knaus, Hamburg 1983, ISBN 3-8135-0560-X

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