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Samstag, 1. Oktober 2011

„Opium für Ovid“ von Yoko Tawada

Yoko Tawada entnimmt Ovids „Metamorphosen“ 22 Frauengestalten und widmet ihnen eine einige Seiten Gegenwart in „Opium für Ovid“. So wird Thisbe zur Friseurin von Iphis. Limnaea sieht im Theater ein Tanzstück von Thetis. Yoko Tawada beschreibt zwar keine Metamorphosen im Sinne Ovids, jedoch den recht wunderlichen Alltag, die verschrobenen Gedankengänge und hin und wieder doch eine kleine Entwicklung in diese oder jene Richtung.

Yoko Tawada spielt mit Worten, mit den Bildern, die im Kopf des Lesers entstehen, mit Klischees. Damit ist „Opium für Ovid“ ein Buch, das man langsam genießen muss. Und hin und wieder empfiehlt es sich, Wikipedia über die Schicksale der antiken Damen zu konsultieren. Sonst entgeht bei fehlendem Hintergrundwissen die eine oder andere Pointe.

„Opium für Ovid“ ist…

… kurios:
„Ich entdeckte ein Muttermal an ihrem Nacken und entschloss mich, darin zu wohnen.“ (S. 112)

… mythologisch-abgewandelt:

Io hat Träume, in denen sie sich in eine Kuh verwandelt. Und Semeles Ex-Mann Zeus, Zahnarzt von Beruf, macht verdächtig viele Röntgenaufnahmen.

… analytisch:
„Eine Zahl steht vor oder hinter einer anderen. Das ist die Ordnung der Reihenfolge. Wie kann man sagen, dass eine Zahl weniger ist als eine andere?“ (S. 98)

… verquer:
Die Linguistin Clymene sagt aus purer Lust die eigene Wortneuschöpfung „Zaub“ – und schwups gründen ihre Kollegen eine Forschungsgruppe um die „Zaub“, an der auch Clymene zwangsweise teilnehmen soll.

… prädestiniert:

Latona bekommt sich natürlich mit Niobe in die Haare.

… anschaulich:
„die hochstehende Sonne nahm den Menschen beinah den Schatten weg, nur ein Tintenfleck klebte neben den Füßen auf dem Boden.“ (S. 118)

… kritisch:
„Scylla sagte zu Pomona, die Kunst sei heutzutage nicht mehr ernst zu nehmen, denn sie sei durch und durch kommerzialisiert. Da dachte Pomona erleichtert, dass sie nun auch Kunst machen könne.“ (S. 168)

… herzlich:
„Man kann nicht die Menschen, die man liebt, auseinanderschneiden. Sie gehören alle zusammen und müssen deshalb gleichzeitig in einem Herzen versammelt sein.“ (S. 169)

Und was es mit dem Opium auf sich hat? Opiumkrieg, Religion für das Volk oder einfach nur der Rausch, in den die Ich-Erzählerin fällt, sobald sie einen Fahrradunfall hat.

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