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Mittwoch, 17. August 2011

„Professor Tadano an der philosophischen Fakultät“ von Yasutaka Tsutsui

Professor Tadano hat vor kurzem seinen eigenen Lehrstuhl bekommen, befindet sich aber in der Universitätshierarchie immer noch im unteren Mittelfeld. Besonders beliebt ist er ohnehin nicht, fällt er doch durch sein endloses, blödes Geschwätz auf. Im Universitätsalltag wird aber sowieso über jeden gelästert und taktisch gehandelt, Intrigen werden gesponnen und Schleimspuren ausgelegt. Korrupt ist so gut wie jeder und arbeiten lässt man am liebsten die Hilfskräfte. Damit liefert der Autor Yasutaka Tsutsui eine bissige Persiflage auf den Universitätsbetrieb.

Doch als hätte Professor Tadano nicht ohnehin schon genug Probleme, muss er seinen Freund Makiguchi decken, der eigentlich im Ausland auf Universitätskosten Studien nachgehen sollte, sich aber statt dessen in seinem Haus verbarrikadiert hat, um wissenschaftliche Aufsätze zu schreiben. Um Makiguchi einen begehrten Posten an einer anderen Universität zuschanzen zu können, begibt sich Professor Tadano in den Korruptionssumpf. Darüber hinaus plagen ihn die Sorgen um seine eigene Karriere. Da hat er doch begonnen unter einem Pseudonym Kurzgeschichten für eine Zeitschrift zu schreiben, was seinen Ruf in der wissenschaftlichen Welt ruinieren kann:

„Die Universität ist so eine Art Gegenwelt. Je mehr öffentliche Anerkennung man gewinnt, desto mehr entfremdet man sich gleichzeitig von der Universität!“ (S. 44)

 Wenn der geschwätzige Kerl mal bloß nicht auffliegt…

Doch dies ist nur die eine Hälfte des Romans. Denn der Leser begleitet Professor Tadano auch bei seinen Vorlesungen über den russischen Formalismus, die Phänomenologie, die Semiotik etc., die ihres gleichen suchen. Professor Tadano sprüht regelrecht vor anschaulichen Beispielen, übt Theoriekritik und entzieht so manchem Kritiker die theoretische Grundlage.

Seit der Publikation des Romans „Professor Tadano an der philosophischen Fakultät“ gilt Yasutaka Tsutsui als der „japanische Guru der Metafiktion“. Und tatsächlich: Der Text ist selbstreferentiell, indem er sich selbst als Beispiel in Tadanos Vorlesungen nennt. Auch der Autor Yasutaka Tsutsui wird hier genannt.

Neben Metafiktion stehen aber auch die Schlagworte Slapstick-Fiction und politische Inkorrektheit für Yasutaka Tsutsui. Professor Tadano wirkt auch wirklich wie eine Witzfigur: Ein kleiner, unansehnlicher Zwerg, der die blödesten Witze in den unpassendsten Situationen reißt. Und was die politische Inkorrektheit angeht, trifft die in „Professor Tadano an der philosophischen Fakultät“ AIDS-Kranke. Doch dieses Stilmittel lässt sich Yasutaka Tsutsui nicht verbieten, der aus Protest gegen seine Kritiker sogar für eine Weile in Schreibstreik getreten war. Die AIDS-Witze sind jedenfalls definitiv unter der Gürtellinie angesiedelt und lassen sich auch nicht schönreden.

Im Gegensatz zu „Mein Blut ist das eines anderen“ hält „Professor Tadano an der philosophischen Fakultät“ voll und ganz, was man sich vom Autor Yasutaka Tsutsui verspricht: Gesellschaftskritik (an der korrupten Universitätswelt; an einer Wissenschaftswelt, die ein geschlossenes System bildet), Slapstick (durch einen schrulligen Protagonisten, der mit seinen Äußerungen die Lachmuskeln strapaziert) und Metafiktion (durch selbstreferentielle Elemente).

Obwohl der Protagonist Professor Tadano der Meinung ist, japanische Literatur mache depressiv, beweist Yasutaka Tsutsui mit "Professor Tadano an der philosophischen Fakultät" das genaue Gegenteil! Sehr schade, dass man die Anschlussvorlesung nicht belegen kann!

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