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Sonntag, 13. Februar 2011

"Der Ringfinger" von Yoko Ogawa

Laut Herrn Deshimaru gibt es nichts, das er nicht präparieren kann. Und der Bedarf an Präparaten ist da: Die Menschen finden ihren Weg zu ihm, obwohl sein Labor, das in einem ehemaligen Mädchenwohnheim untergebracht ist, kein Firmenschild hat und nicht im Telefonbuch steht. Herr Deshimaru präpariert Pilze, das Skelett eines Javafinkens und sogar die Töne einer Partitur.

Nachdem die Ich-Erzählerin einen Arbeitsunfall in ihrer alten Firma hatte, nimmt sie die Stelle als Herrn Deshimarus Assistentin an. In dem verlassenen, stillen Mädchenwohnheim, das außer dem Labor noch die Wohnungen zweier alter Damen beherbergt, arbeitet sie in ihrem Büro, empfängt die Kunden und dokumentiert die zu präparierenden Objekte, während Herr Deshimaru im Labor im Keller, zu dem nur er Zutritt hat, die Präparate erstellt.

Während das Arbeitsleben vor sich hin plätschert, fühlt sich die Ich-Erzählerin immer stärker von Herrn Deshimaru angezogen. Ob sein Geschenk an sie – viel zu gut sitzende Lederschuhe, die mit ihr eins zu werden scheinen – einen Einfluss auf sie haben? Und dann kommt auch noch die Warnung einer der Nachbarinnen: Einige ihrer Vorgängerinnen sind auf Nimmerwiedersehen verschwunden…

Yoko Ogawa gelingt es auf nur 110 Seiten, ein beklemmendes und spannendes Bild der Situation im ehemaligen Mädchenwohnheim zu zeichnen. Phantastische Elemente paaren sich mit der Unterwürfigkeit der Ich-Erzählerin, die sich dem älteren Chef hingibt. Leider lesen sich die 110 Seiten viel zu schnell – und machen süchtig nach noch mehr Lesestoff von Yoko Ogawa.

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