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Montag, 18. Januar 2016

„Lob der Meisterschaft“ von Junichiro Tanizaki

Junichiro Tanizakis „Lob der Meisterschaft“ setzt sich mit der Differenz von Meisterschaft versus Kunst auseinander. So versteht Tanizaki die Meisterschaft („gei“) als etwas, was durch lange Übung erworben ist und traditionellen Charakter hat. Dabei vergleicht der Autor das Erwerben von Meisterschaft mit unermüdlichem Polieren – bis eine unvergleichliche Patina entsteht. Die Motivation eines Meisters der traditionellen japanischen Künste beschreibt Tanizaki wie folgt:

„Es gibt kein Streben nach materiellen Dingen für ihn, meist nicht einmal ein Streben nach Ruhm; er hat nichts außer seiner Meisterschaft.“ (S. 50)

Kontrastiert wird dieses Ideal mit dem moderneren Begriff der Kunst („geijutsu“), die dem Wert des Individualismus und durchaus finanziellen Interessen folgt.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses des Westens macht sich Tanizaki in dem Essay Gedanken, die – wie er selbst angibt – „ein buntes, widersprüchliches und ausschweifendes Geplauder“ (S. 104) sind. Daher sollte man von „Lob der Meisterschaft“ nicht zuviel erwarten – an manchen Stellen wirkt der Essay tatsächlich etwas widersprüchlich. Da ist Tanizaki einerseits tatsächlich voll des Lobes diesen Meistern ihres Fachs gegenüber, anderseits stellt er deren Intellekt eher ein Armutszeugnis aus; scheint gar auf sie herunterzuschauen.

Dafür kann man dem schmalen Büchlein aber das Selbstverständnis der vormodernen, japanischen Schriftsteller entnehmen, was insbesondere für diesen Blog natürlich ein tolles Zitat darstellt:

„Nach allgemeinem Verständnis der heutigen Literaturkreise ist eine Literatur, die sich von der Wirklichkeit absetzt, feige. Aber diese Denkweise ist dem westlichen Einfluss zuzuschreiben. Unser ursprüngliches Verständnis von Literatur bestand darin, dass sie uns die Nöte der profanen Welt vergessen lassen soll.“ (S. 77)

Alles in allem würde ich den Klappentext von „Lob der Meisterschaft“, der da lautet, dass der Essay „ein Schlüsselwerk zum Verständnis der japanischen Kultur“ sei, nicht unterschreiben. Zwar beinhaltet das Werk sicherlich einige interessante Gedankengänge, andererseits aber auch Aussagen, über die man heutzutage eher ein bisschen den Kopf schütteln muss. Der Essay im japanischen Zuihitsu-Stil ist nun mal auch keine knallharte Analyse, die Fakten darlegt, sondern ist von den persönlichen Erfahrungen des Autors geprägt.

Bibliographische Angaben:
Tanizaki, Junichiro:
„Lob der Meisterschaft“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Klopfenstein, Eduard), Manesse, Zürich 2010, ISBN 978-3-7175-4079-3

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