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Freitag, 14. November 2014

„Saikaku-oridome“ von Saikaku Ihara

Saikaku Ihara gilt als DER Autor des Chonin-Milieus, des städtischen Handelsmilieus des 17. Jahrhunderts. Mit „Saikaku-oridome“ glaubt sich der Leser in einem authentischen Sittengemälde wiederzufinden – insbesondere mit einem Einblick in die Kurtisanenkultur der damaligen Zeit. Das postum veröffentlichte Werk ist geprägt von der buddhistischen Lehre der Vergeltung von guten und schlechten Taten – Fleiß allein genügt für die Protagonisten nicht, Reichtum zu erlangen. Vielmehr legt Saikaku Ihara den Finger in die Wunde, dass Kapital zu Kapital wandert, während die Armen sich abstrampeln können, soviel sie wollen – der Erfolg wird ihnen nicht sicher sein.

Acht Geschichten enthält die deutsche Übersetzung von „Saikaku-oridome“. Den Beginn macht „Nur der Kiefernpilz kommt scheinbar aus dem Nichts wie die Bälle des Gauklers“. Die Erzählung illustriert das Leben von Kaufleuten ohne Eigenkapital: Der Gewinn durch den Handel wird durch die Zinsen an die Kapitalgeber, bei denen man sich immer wieder einschmeicheln muss, direkt wieder aufgefressen. Ein findiges Ehepaar jedoch macht aus der Not eine Tugend.

In „Der Lauf des Hozu-Flusses und ein reicher Mann aus Yamazaki“ nimmt ein Händler einen blinden Affen bei sich auf und umsorgt ihn. Als der Kaufmann am Ende des Jahres wegen einer geringen Summe seine Schulden nicht begleichen kann, beschließt er mit Sack und Pack Reißaus zu nehmen. Den Affen muss er leider zurücklassen, doch das Haustier scheint zum Retter in der Not zu werden.

„Der stillzufriedene Salzverkäufer“ ist ein Musterbeispiel an Ehrlichkeit und Genügsamkeit: Mit dem Salzhandel macht er keine sonderlichen Umsätze und lebt so von einem Tag in den nächsten. Selbst als er eines Tages eine prall gefüllte Geldbörse findet, wacht er redlich darüber, bis sich der wahre Besitzer bei ihm einstellt.

„Die Vergnügungen des Menschen sind kurz wie ein Tag, der im Morgengrauen entsteht und im Abenddämmern stirbt. Wenn man es recht bedenkt, ist das Menschenleben ein Traum während eines kurzen Schlafes.“ (S. 32)

So leitet Saikaku Ihara die Erzählung „Aus einer Unbesonnenheit des Augenblicks entstand die Sinneslust“ ein und spricht die „fließend-vergängliche Welt“ an. Fließend-vergänglich ist aber auch der Reichtum eines jungen, knauserigen Mannes, der plötzlich seinen Gefallen an der käuflichen Liebe entdeckt. Zunächst gibt er sich noch mit einem Bademädchen zufrieden, dann kauft er sich eine Kakoi, schließlich eine Tenjin, bis er schließlich sein Geld für eine Kurtisane des höchsten Ranges, eine Tayu, verprasst. Wie lange er sich die Tayu wohl noch leisten kann?

Eine Lästerei über „Die große Nase der Hauswirtin“ führt dazu, dass ein Ehepaar die bisherige Wohnung verlassen muss. Die Wohnungssuche führt zu allerlei Unbequemlichkeiten: In der einen Nachbarschaft zieht eine Verrückte umher, in einem anderen Haus scheint es zu spuken, wo anders wimmelt es vor Kakerlaken. Ob die Ehe dieser Belastung Stand halten wird?

„Von einem Tag auf den anderen in der Dienstbotenherberge leben“ porträtiert das Leben von Dienstmädchen, die aufgrund der schlechten Wirtschaftslage auf dem Land in die Stadt drängen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, während „Auch Helm und Rüstung zum Pfandleiher“ diverse Absonderlichkeiten illustriert, die die Menschen ins Pfandhaus tragen. So verpfänden die Kurtisanen beispielsweise „Gelöbnisbriefe“ mit erfundenen Peinlichkeiten, die sie ziemlich in die Bredouille bringen könnten, sollten sie das geliehene Geld nicht zurückzahlen.

„Der unbeständige Sinn einer Hofdame“ beschreibt den sozialen Abstieg der Hofdame Uguisu no Tsubone, der beginnt, als sie aus einer Unbesonnenheit heraus einen Bürgerlichen heiratet.

Wer sich insbesondere für die damaligen Gepflogenheiten im Freudenviertel interessiert, der dürfte durch den Zeitgenossen Saikaku Ihara viel Authentisches erfahren. Die vielen Fußnoten erläutern detailliert, was damals Usus war: Blieb eine Kurtisane z.B. an einem Feiertag ohne Freier, so musste sie ihrem Zuhälter den entgangenen Gewinn aus eigener Tasche erstatten. Doch auch das Leben der Dienstboten und Händler wird anschaulich illustriert. Daher wirkt „Saikaku-oridome“ wie ein Guckloch in eine längst vergangene Zeit.

Bibliographische Angaben:
Ihara, Saikaku: „Saikaku-oridome“ (Übersetzung aus dem Japanischen: May, Ekkehard), Reclam, Stuttgart 1973, ISBN 3-15-009493-3

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