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Dienstag, 2. Februar 2016

„Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ von Ryutei Tanehiko

Ryutei Tanehikos „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ startet mit einer Vorbemerkung des Übersetzers, was es denn mit dem sperrigen Buchtitel auf sich hat.

„Ein japanisches Sprichwort sagt: die Menschen und die Wandschirme können nicht gerade stehen, das heißt: so wie die letzteren sich nicht aufstellen lassen, ohne gebogen zu werden, so können die ersteren die Geradheit des Charakters nicht bewahren.
Der Verfasser will beweisen, dass dieses ein schlechtes Sprichwort sei, und zeigt in seiner Erzählung Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt – das sind Menschen, die wirklich gerade stehen.“ (S. 5)

Und so geht es in der Erzählung nicht nur um die Liebesgeschichte von Sakitsi zu Komatsu, sondern auch um den Aufopferungswillen, den die junge Frau Komatsu an den Tag legt, indem sie sich selbst an ein Teehaus verkauft, um ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Hinzu kommen einige Irrungen und Wirrungen, die daraus resultieren, dass die Protagonisten andere Namen annehmen.

An sich ist „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ ein recht harmloses Stück Prosa mit einer immerhin überraschenden Wendung zum Ende hin. Interessant ist die Erzählung vielmehr aus geschichtlichem Anlass: Sie soll die erste Übersetzung eines japanischen Prosawerks ins Deutsche (bzw. vielleicht auch die erste Übersetzung in eine westliche Sprache ganz allgemein) gewesen sein, als der Österreicher August Pfizmaier im Jahr 1847 Ryutei Tanehikos Werk übersetzte. Pfizmaier scheint in der Wiener Hofbibliothek über die Erzählung gestolpert zu sein, die über Franz von Siebold nach Österreich gelangt war. Später hat sich Pfizmaier dann bekannteren Werken wie dem „Kopfkissenbuch“ von Sei Shonagon oder dem „Ise monogatari“ gewidmet.

„Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ lesen sich teilweise recht eingängig, manchmal tut man sich allerdings etwas schwer, den Sinn des Gesagten zu erschließen, wie beispielsweise hier:

„Um bei gleicher Farbe und bei gleichem Duft mit den Blumenbüscheln und den hastigen Sprösslingen den jungen Pflaumenbaum der keimenden Blüten nicht vergebens zu bestreuen, war die Gunst des mütterlichen Baumes groß.“ (S. 85)

Hier spricht Sakitsis Adoptivmutter, die sich für ihren Sohn eine andere Frau als Komatsu wünscht, Sakitsis Ansinnen schließlich aber doch unterstützt. Diese Motivation lässt sich aber frühestens nach dem zweiten Durchlesen so deuten.

Glatt noch besser gefällt mir dieser Auszug:

„und ihm folgten als Begleiter der bei dem Teelöffel die Halle der Zugengeläufigkeit bewohnende, gut aufgelegte marktschreierische Arzt Jabuwara Tsikusai“ (S. 55)

Das sind natürlich alles nur Kleinigkeiten und vor der Pionierleistung des Übersetzers August Pfizmaier kann man auch nur den Hut ziehen – dennoch musste ich über den Teelöffel und die Halle der Zungengeläufigkeit sehr schmunzeln.

Bibliographische Angaben:
Tanehiko, Ryutei: „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Pfizmaier, August), Kranich Verlag, Berlin 1942

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