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Montag, 11. März 2013

„Kuhtse der Weizenstampfer“ von Shinji Ishii

Tam, tatam
Das ist der Rhythmus, der Katze durchs Leben begleitet. In seinen Träumen und auf dem Speicher begegnet ihm Kuhtse, der mit seinen schweren Stiefeln Weizen stampft.
Tam, tatam

Katze, der Protagonist und Ich-Erzähler in Shinji Ishiis Roman „Kuhtse der Weizenstampfer“, ist ein überdurchschnittlich großes Kind. Deswegen muss er im Klassenzimmer auch immer ganz hinten sitzen, um seinen Mitschülern nicht die Sicht auf die Tafel zu versperren. Katze hat sicherlich auch einen normalen Namen. Aber jeder nennt ihn Katze, weil er so gut wie eine Katze miauen kann. Mehr noch: Er miaut sogar wie die ideale Katze.

Sein Großvater hat ihm das Miauen beigebracht. Dieser ist mit Katze und dessen Vater in das kleine Hafenstädtchen am Meer gezogen. Seine Mutter hat Katze nie kennen gelernt. Ob sie wohl bei seiner Geburt auseinandergeplatzt ist? Schließlich ist Katze ja für sein Alter ein Riese.

Als die kleine Familie sich in dem Hafenstädtchen nieder lässt, bringt der Großvater erst mal das ortsansässige Orchester auf Trab. Die Musik stiftet den Gemeinschaftssinn der Stadt, das Orchester wird zum Dreh- und Angelpunkt der Nachbarn. Der Hausmeister der Schule ist einer der größten Anhänger des Großvaters. Auf seine alten Tage beginnt er mit dem Komponieren: z.B. die „Serenade für einen jammernden Dinosaurier“ und die „Fanfare für raufende Kinder“. Als es eines Tages jedoch Mäuse in der Stadt regnet, bricht das Chaos in die städtische Idylle herein.

Mit Katze begegnet der Leser den verschiedensten, großartigen Persönlichkeiten. Da wäre der Schmetterlingsmann, ein tätowierter, ehemaliger Profi-Boxer, der nach einem Kampf erblindet ist und zwischenzeitlich ein fantastisches Gehör entwickelt hat. Oder die Schwester des Postdirektors, die nach dem Tod ihres Mannes keine Uhren mehr sehen will und zum Sterben leckere kulinarische Köstlichkeiten zubereiten kann. Oder ein kleinwüchsiger, impotenter Cellist, der am liebsten in einem Bärenoverall herumläuft und Räder schlägt, wenn er begeistert ist. „Kuhtse der Weizenstampfer“ sprüht förmlich vor ausgefallenen Charakteren, die ihre Spleens pflegen.

Der Autor Shinji Ishii entführt mit seinem modernen Märchen „Kuhtse der Weizenstampfer“ in eine Welt voller Musik, Rhythmen und Klängen. Angereichert ist dies mit kleinen, poetischen Lebensweisheiten wie

„Einmal gefallener Regen kann nicht mehr in den Himmel zurückgebracht werden. Wenn Menschen etwas verloren haben, müssen sie dort weitermachen, wo sie nach dem Verlust stehen.“ (S. 180)

und verrückten Anekdoten, die der Hausmeister und Katze aus Journalen zusammensammeln, die ihnen von Matrosen mitgebracht werden. Shinji Ishii verknüpft dies im wahrsten Sinne virtuos und schreibt mit „Kuhtse der Weizenstampfer“ ein Buch, von dem man nicht genug bekommt. Standing Ovations! Und: Bravissimo!

Bibliographische Angaben:
Ishii, Shinji: „Kuhtse der Weizenstampfer“, Bebra, Berlin 2013, ISBN 978-3-86124-916-0

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