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Freitag, 1. Juni 2012

„Liebesdurst“ von Yukio Mishima

Etsuko ist die Protagonistin in Yukio Mishimas Roman aus dem Jahr 1949, die den „Liebesdurst“ verspürt, der sich nicht stillen lässt: Ihr inzwischen verstorbener Ehemann hatte primär nur Spott für sie übrig. Spott, den sie für ihre Anhänglichkeit trotz seiner außerehelichen Affäre erntete. Erst als der Ehemann mit Typhus im Sterben liegt, scheint Etsuko die Ehe vollkommen. Endlich kann sie sich für den Mann aufopfern und hat gleichzeitig vollkommene Macht über seine letzten Tage.

Nach dem Tod des Ehemanns zieht die Witwe Etsuko aufs Land zu ihrem Schwiegervater. Der hat eindeutige Absichten: Die attraktive, jedoch distanzierte Etsuko soll seine Geliebte werden. Leicht angewidert lässt sie seine Annäherungsversuche zu und lebt angeödet und gelangweilt von Tag zu Tag. Wenn da nicht der junge Hausangestellte Saburo wäre. Der ist zwar ein rechter Dorftrampel, aber der durchtrainierte Körper des 18-Jährigen hat Etsuko in den Bann geschlagen.

Die weiteren Familienmitglieder im Haushalt zerreißen sich nun nicht mehr nur ihr Maul darüber, dass Etsuko den alten Herrn beglückt, sondern auch dass sie sich in den jungen Kerl verschossen hat. Der wiederum ist ein bisschen stupide und merkt nicht, wie er von seiner Herrin angehimmelt wird. Schließlich nimmt eine Tragödie ihren Lauf.

Analog zu Yukio Mishima, der die Ansicht vertrat, dass alles Handeln seinen Sinn erst im Tod findet, müsste man auch behaupten, dass jeder Roman vom Ende her zu beurteilen ist. Und leider liegt hier die Schwäche des Werks: Die Wendungen zum Schluss sind recht unnachvollziehbar und plötzlich. Da sollte wohl partout noch ein tragisches Ende her.

Trotzdem: Die Mishimas Charaktere werden so ausgefeilt illustriert, dass man sie geradezu bildlich vor Augen hat. Da ist der knochige alte Schwiegervater, der sich nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben als Führungskraft in seiner Autorität untergraben fühlt. Sein ältester Sohn und dessen Ehefrau, die sich ganz als überlegene Intellektuelle fühlen, aber außer hohlen Reden nichts zustande bekommen. Die Landpomeranze Miyo, die von Saburo schwanger wird. Saburo selbst, der zwar ein Adonis vom Land ist, aber alles andere als helle wirkt. Und natürlich Etsuko mit dem ihr eigenen, psychopathischen Drang, den Liebesdurst zu stillen.

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