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Montag, 18. Juni 2012

„Die Wildgans“ von Ogai Mori

Es ist im Jahr 1880 als die schöne, tugendhafte, aber arme Otama durch geschickte Verhandlungen die Zweitfrau des Wucherers Suezo wird. Sie wird zusammen mit einem Dienstmädchen in einem Haus in Muenzaka einquartiert, wo sie den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hat, als sich für ihren Herrn Suezo hübsch zu machen und auf dessen Besuch zu warten. Tagein, tagaus blickt sie auf die Straße, wo die jungen Studenten flanieren. Einer davon gefällt ihr besonders gut. Es ist Okada, der beste Freund des Ich-Erzählers. Okada ist die personifizierte Mustergültigkeit und Otama träumt davon, von ihm aus ihrem Schicksal als Zweitfrau befreit zu werden. Otama schmiedet bereits Pläne, wie sie sich dem begehrten Okada am besten nähern soll, als doch alles anders kommt als erwartet.

Ogai Mori präsentiert mit „Die Wildgans“ einen Ausschnitt der japanischen Gesellschaft auf dem Weg in die Moderne: Otama gleicht zwar noch dem demütigen, klassischen Frauenbild, doch die Saat für den Ausbruch aus dem goldenen Käfig ist schon gesät. Die Studenten geben sich bereits weltmännisch-kosmopolitisch und streben internationale Karrieren an. Auch Suezos patriarchalische Rolle schwankt bedenklich: Seiner Ehefrau muss er seine Schattenfrau verschweigen und für diese rühren sich die ersten zärtlichen Gefühle.

„Die Wildgans“ gilt als der große Klassiker aus der Feder Ogai Moris und erlaubt, in ein Japan einzutauchen, das so nicht mehr existiert.

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