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Samstag, 14. Mai 2011

„Die Welt hasst mich“ von „Beat“ Takeshi Kitano

„Die Welt hasst mich“ von „Beat“ Takeshi Kitano ist ein Büchlein mit 119 Seiten und enthält primär Kitanos Reflektionen über die japanische Gesellschaft. Vorab wird von Kitano festgestellt: „Ich bin ein Enfant Terrible.“ Wahrscheinlich wird das jeder Japaner unterschreiben, denn Kitano nimmt wahrlich kein Blatt vor den Mund. Insgesamt enthält das Buch sieben Kapitel:

 „Bist Du echt so grandios, Herr Regisseur Kitano Takeshi?“ ist für seine Filmfans bestimmt besonders interessant. Hier findet sich auch Kitanos Erklärung, weshalb sein Film „Hana-bi“ seiner Meinung den Biennale-Löwen von Venedig gewinnen konnte:

„Alle hielten die anderen Beiträge für total beschissen. Ein halbes Dutzend war superschlecht, und die andere Hälfte war so lala, dass nur dieser eine übrig blieb.“ (S. 5)

In „Ist es moralisch verwerflich, einen Erhängten noch an den Füßen zu ziehen?“ reflektiert Kitano über Sterbehilfe, Selbstmord und Tod. So ganz mag man ihm als Leser nicht folgen, wenn er beispielsweise sagt, dass er eine Mutter versteht, die ihr gewalttätiges Kind umbringt. Dennoch hat der Autor manche interessante, weil abstruse Fragen zu stellen: Wenn beim Erhängen eines zum Tode Verurteilten das Seil reißt und der Todeskandidat an seinen davongetragenen Verletzungen stirbt – wird der Henker dann wegen fahrlässiger Tötung angeklagt? Wird eine Hochschwangere ermordet, ist das dann Doppelmord?

Das dritte Kapitel lautet „Curriculum vitae oder: Aus welchem Stall man kommt“. Hier kritisiert Kitano die Behauptung, alle Menschen hätten dieselben Chancen, wenn doch bereits ab dem Kindergarten Auswahlmechanismen den Lebenslauf bestimmen:

„Nach außen hin behaupten die Japaner, alle wären gleich, aber hinter der Fassade glaubt keiner daran“ (S. 48)

In „Eine Theorie über den Ruin des Landes durch freiwillige Helfer“ lässt sich Kitano über die japanische Haltung zu Freiwilligendienste aus. Da das Bewusstsein für Individualität gering ist, sind Japaner besonders bereit sich als freiwillige Helfer zu engagieren. Dies führt zu abstrusen Regelungen, dass an Universitäten Punkte für Freiwilligenhilfe vergeben werden – aber wenn es um Punkte geht, kann dann die Hilfe von freiwillig sein? Freiwilligenhilfe wird zudem medienwirksam inszeniert und nicht aus wahrer Nächstenliebe. Kitano schätzt die Lage Japans prekär ein:

„Wenn freiwillige Hilfe weiterhin in Mode bleibt, so dass Gemeinden und Kommunen keinen Finger rühren […], dann wird das Land unweigerlich zugrunde gehen.“ (S. 67)

„Nippon – ein Paradies für böse Buben“ thematisiert den Umgang mit jugendlichen Straftätern. Anhand eines Amoklaufs des 14-jährigen Seiko Sakakibara in Kobe prangert Kitano den zu laschen Umgang mit straffälligen Jugendlichen und schlampige Arbeit bei der Polizei an. Zudem behandeln die Medien Verbrechen als Spektakel: Wie einen fiktiven Krimi verfolgen die Zuschauer Verbrechen zum Vergnügen – alles verkommt zur Show.

„Eine Demokratie namens Begierde“ prangert Bestechlichkeit und Sittenverfall an:

„Wir wissen nicht mehr, wo der Fokus der Gesellschaft liegt. Im schlimmsten Fall lebt der soziale Aussteiger sogar noch bequemer als andere. In der Tat kommt solch ein Taugenichts viel eher in den Genuss der Dinge.“ (S. 97)

Sexuelle und materielle Begierden sind so weit entfesselt, dass eine endgültige Überhitzung die Explosion der japanischen Gesellschaft hervorrufen kann.

„Japan, ein Paradies für Amokläufer“ behandelt Kitano das Thema von geistig gestörten Straftätern: Laut seiner Aussage sind nur zwei Prozent der Weltbevölkerung „normal“; daher sollte es keine Sonderbehandlung von Straftätern geben, die als psychisch gestört eingestuft werden.

Insgesamt stellt Kitano viele sehr provokante Thesen auf, mit denen ich mich nicht identifizieren kann. Manchmal klingt er für mich wie ein Hardliner. Und dann wieder huldigt er seiner eigenen Verrücktheit. An manchen Stellen widerspricht er sich. Und manchmal weiß man nicht, ob er das Gesagte überhaupt ernst nimmt. Damit mag ich dieses Büchlein eigentlich niemandem ans Herz legen. Einige Aussagen geben zwar kleine Denkanstöße, aber so manches Mal konnte ich nur den Kopf schütteln. Aber ich war ja vorgewarnt: Ein wahres Enfant Terrible!

2 Kommentare:

  1. Könnt ihr mir bitte sagen wo ich noch Deutsche Exemplare von Takeshi Kitanos Büchern bekomme? Danke für eure Hilfe ;)

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  2. Ich suche immer über www.eurobuch.de nach vergriffenen Exemplaren. Für "Die Welt hasst mich" muss man derzeit allerdings 25 Euro berappen. Vielleicht magst Du alternativ mal direkt beim Angkor Verlag/Guido Keller nachfragen, ob noch Restbestände vorliegen?

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