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Sonntag, 1. Mai 2011

„Piercing“ von Ryu Murakami

„Piercing“ von Ryu Murakami beginnt mit einer Szene, die unter die Haut geht: Masayuki, vor kurzem Vater geworden, steht mit einem Eispickel an der Wiege des Neugeborenen, berührt den Gesichtsflaum des Babys mit der Spitze des Pickels. Masayuki, der vor Jahren seine Ex-Freundin mit einem Eispickel verletzt hat, hat dabei nicht die Absicht, sein Kind zu töten. Er versucht sich selbst davon zu überzeugen, dass er nicht fähig ist, nochmals einen geliebten Menschen niederzustechen.

Masayuki, der als Kind von seiner Mutter misshandelt wurde, ist sich im Klaren: Er muss etwas tun, um das drohende Unheil abzuwenden. Um sein Kind vor sich selbst zu retten, heckt er einen Plan aus – jemand anderes soll durch den Eispickel sterben. Dazu mietet er sich unter falschem Namen in einem Hotel ein und bestellt eine Prostituierte aus einem SM-Club zu sich. Sein Plan scheint wasserdicht: Nachdem er sein Opfer gefesselt hat, möchte er es mit dem Eispickel erstechen.

Als Chiaki zu ihm geschickt wird, gerät der Plan aus dem Ruder: Chiaki, ebenfalls ein Missbrauchsopfer in Kindheitszeiten, wird selbst von den inneren Dämonen getrieben, die sie vielleicht sogar gefährlicher machen als Masayuki.

Ryu Murakamis Buch ist sehr spannend; die Wendungen, die die Handlung vornimmt, sind überraschend. Denn insbesondere das Verhalten von Chiaki ist nicht vorhersehbar. Dennoch fehlt mir in dem Roman etwas der Zugang zu den Figuren. Die Idee, jemand anderes anstatt des eigenen Kindes zu töten, kommt Masayuki zu plötzlich. Z.B. fehlt auch eine Überlegung des Protagonisten: Ist ein solcher Mord eine Katharsis oder nur der Beginn eines Gewaltrausches, nachdem er Blut geleckt hat? Die Figur der Chiaki und deren Dämonen hätten zudem etwas mehr Beschreibung verdient. Wäre den inneren Qualen der Hauptfiguren mehr Beachtung geschenkt worden, wäre der Roman bestimmt noch eindringlicher.

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