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Sonntag, 27. September 2015

„Das Königreich des Windes“ von Hiroyuki Itsuki

Der freie Journalist Taku ist ein passionierter Geher, sprich: Er geht nicht nur gern wandern, sondern benutzt grundsätzlich seine Beine gern zur Fortbewegung. Nicht, dass er deswegen die schnellen und luxuriösen Autos seines Bruder Shin’ichi verachten würde. Aber fasziniert ist Taku vor allem vom Gehen. Auf einer Wanderung, die er im Auftrag eines Verlags unternimmt, wird Taku Zeuge einer absonderlichen Prozession auf dem Berg Nijosan. Fast unsichtbar bewegen sich Pilger zwischen den beiden Gipfeln des Berges. Und eine Person scheint gar den Weg wie fliegend zu bewältigen. Obwohl Taku bei guter Konstitution ist, hat er keine Chance, mit dem rasanten Läufer Schritt zu halten.

Zurück in Tokio hört Taku das erste Mal vom Henro-Bund, dem überraschend viele seiner Bekannten angehören. So erfährt er auch, dass ihm seine Kollegen ein Treffen mit dem fliegenden Läufer verschaffen können, der sich zwischenzeitlich als die Tochter des Priors des Tenmu Jinshin-Ordens, der mit dem Henro-Bund eng verquickt ist, herausgestellt hat. Auf einer Gala für den Industriellen Ikarino überschlagen sich plötzlich die Ereignisse und nicht nur Taku wird von seiner Vergangenheit eingeholt.

Der überaus produktive Autor Hiroyuki Itsuki nahm sich zu Recherchezwecken viel Zeit, um mehr über japanische Nomadenvölker zu erfahren, die – ähnlich wie die Sinti und Roma in Europa – diskriminiert wurden. Ein weiteres interessantes Phänomen, das in „Das Königreich des Windes“ thematisiert wird, sind die Marathonmönche, die schier unglaubliche Strecken zurücklegen. Hiroyuki Itsuki kombiniert diese beiden Zutaten und schickt seinen Protagonisten Taku in ein Erweckungserlebnis.

Ein bisschen arg überzeichnet kommen einige der Charaktere in „Das Königreich des Windes“ zwar daher, aber dem Autor gelingt es sehr gut, den Leser in die Parallelgesellschaft des Henro-Bundes abtauchen zu lassen. Interessant ist auch das zeitliche Setting: Mitten  in der Bubble-Economy schreibt Hiroyuki Itsuki ein Buch, dessen Moral als Botschaft gegen Profitstreben und ökonomische Macht gelesen werden kann. Denn getreu dem Motto des Henro-Bundes

„keine Felder bestellen
nicht sesshaft werden
nirgendwo zugehörig sein
ein selbstloses Herz besitzen“ (S. 3)

sind dem Nomadenvolk andere Werte wichtig als der Yuppie-Gesellschaft der 80er Jahre.

Ein Augenmerk sei auch noch auf das Covermotiv gelenkt: Der Angkor-Verlag hat erneut eine Illustraion von Ray Rubeque gewählt, das hervorragend zur Beschreibung von Ai, der fliegenden Läuferin, passt.

Bibliographische Angaben:
Itsuki, Hiroyuki: „Das Königreich des Windes“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Kiefer-Ikeda, Isolde), Angkor Verlag, Frankfurt 2015, ISBN 978-3-936018-88-2

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