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Freitag, 20. Juni 2014

„Der Tod des Teemeisters“ von Yasushi Inoue

Ich habe mich ja schon des Öfteren als Fan von Nachworten geoutet. In Yasushi Inoues „Der Tod des Teemeisters“ vermisse ich das Nachwort besonders arg. Denn der Roman handelt von Rikyu, dem wohl bekanntesten japanischen Teemeister des 16. Jahrhunderts, und setzt sowohl Wissen um die historischen Gestalten voraus, als auch eine Ahnung von dem, was man als „Teeweg“  bezeichnen mag.

Auch wenn mich Shin Nakagawas „Kyoto – Klänge des Kosmos“ ein bisschen enttäuscht hatte, so war ich nun doch ganz glücklich, gute 15 Seiten über Rikyu und seine Philosophie des Teewegs nochmals nachlesen zu können. Dazu aber später gleich noch mehr.

Zurück zu Yasushi Inoues „Der Tod des Teemeisters“: In sechs Kapiteln lässt der Autor seinen Erzähler Honkakubo zu Wort kommen. Honkakubo diente einst Rikyu, erlebte mehrere Teezeremonien mit und war entsetzt, als sein Meister vom Taiko Hideyoshi in die Verbannung geschickt wurde. Umso schlimmer traf ihn, als der Taiko Rikyu den Befehl zum Seppuku gab – und der Teemeister sich, ohne Einspruch zu erheben, mit dem Schwert selbst richtete. Honkakubo zog sich daraufhin in die Einsamkeit zurück. Jahre später begegnet dieser ehemalige Gehilfe alten Bekannten und wird mit den alten Fragen konfrontiert: Warum gab Hideyoshi dem Teemeister den Befehl zum Seppuku? Warum wählte Rikyu den Tod, ohne sich zu verteidigen? Wer waren die beiden anderen Männer, die einst mit Rikyu darüber diskutierten, dass nur der Tod alles auslöschen könne? Traf sie das gleiche Schicksal wie Rikyu?

So spannt Yasushi Inoue eine fremde Welt für die Leser auf: Samurai, die in einer Teezeremonie Abschied von der Welt nehmen, bevor sie in eine Schlacht ziehen, aus der sie wahrscheinlich nicht lebend zurückkehren. Ein Teemeister, der den Weg des Tees zur Religion erhebt. Die Welt der Teezeremonie, die sich unter Rikyu vom vergnüglichen Gelage zur ernsthaften Kontemplation wandelte. Ein unergründlicher Taiko und politische Intrigen.

Als Leser ahnt man jedoch nur, was dieser Teeweg denn so sein könnte. In Shin Nakagawas „Kyoto – Klänge des Kosmos“ wird die Nähe zum Zen etwas deutlicher dargestellt (vgl. S. 81): Denn in der kleinen Klause eines Teezimmers versetzt sich der Teemensch in die Lage eines Einsiedlers, der sich ganz der Kontemplation hingibt. Laut Shin Nakagawa verlor sich in der Rikyu’schen Teezeremonie gar die gesellschaftliche Stellung des Gastes – was dem Taiko Hideyoshi freilich mehr als missfallen haben mag. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass Rikyu keinesfalls um Gnade beim Taiko bitten konnte. Denn nur mit dem Seppuku konnte der bürgerliche Rikyu seine eigenen Wertvorstellungen durchsetzen (vgl. S. 83). Dies deckt sich dann auch mit Yasushi Inoues „Der Tod des Teemeisters“, wenn Honkakubu einen letzten Dialog zwischen dem Taiko und Rikyu halluziniert und Rikyu (= Soeki) folgende Worte in den Mund legt, bevor sich der Teemeister ins Schwert stürzen wird:

„Also kann ich als Anhänger des Teewegs nichts anderes tun, als ebenfalls mein Schwert zu ziehen. Ebenso wie Ihr, mein Fürst, gewisse Dinge wahren müsst, muss ich, Soeki, als Teemeister das Meine bewahren. […] Dass Ihr Ihr werden müsst und ich, Soeki, Soeki werden muss, allein das zählt.“ (S. 154)

Bibliographische Angaben:
Inoue, Yasushi: „Der Tod des Teemeisters“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Suhrkamp, Frankfurt/Main 2008, ISBN 978-3-518-46025-2

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