Labels

Donnerstag, 19. September 2024

„Frau Shibatas geniale Idee“ von Emi Yagi

Alles beginnt mit einem kleinen Sozialexperiment, als die alleinstehende Büroangestellte Frau Shibata es leid ist, als Frau immer für gewisse Bürotätigkeiten herzuhalten. Sie hat das Druckpapier nachzulegen, Geschenke von Kunden zu verteilen, Kaffee zu kochen und Meeting-Räume zu säubern. Männer mit der gleichen Qualifikation müssen nie dergleichen tun. Daher lehnt sie eines Tages ab, den Konferenztisch abzuräumen. Sie gibt vor, schwanger zu sein und hat künftig die lästigen Zusatzaufgaben los. Mit Schwangerschaftsübelkeit ist Kaffeekochen nun mal nicht vereinbar.

Die männlichen Kollegen bringt das in die Bredouille und Aufregung macht sich breit: Wer soll nun einspringen, da keine andere Frau für diese Tätigkeiten zur Verfügung steht? Ein junger Uni-Absolvent muss nun in die Bresche springen.

Für Frau Shibata beginnt eine neue Ära des Job-Alltags. Sie kann endlich pünktlich Schluss machen und entflieht der Tretmühle der japanischen Arbeitswelt. Sie kommt früh genug in die Supermärkte, um noch genügend Auswahl an frischem Gemüse zu haben, und kann so viel Me-Time genießen wie noch nie. In der Schwangerschaftsgymnastik lernt sie viele werdende Mütter kennen, die sie sofort in ihre Clique aufnehmen und sie künftig Shibi nennen.

Wäre da nicht die Krux, dass sich der Bauch nicht wölbt. Da muss Shibi wohl mit Handtüchern nachhelfen. Gut, dass ihr Appetit explodiert und sie dadurch zunimmt. Doch wie mag es nach dem genannten Geburtstermin für Shibi weitergehen?

Ich gebe zu, dass ich mir zuerst nicht viel von Emi Yagis „Frau Shibatas geniale Idee“ erwartet habe. Umso größer war das Lesevergnügen – herrlich komisch, auf den Punkt, geistreich, super Entertainment. Die moderne Version der „unbefleckten Empfängnis“, die der patriarchalischen japanischen Arbeitswelt den Spiegel vorhält. Bitte mehr davon!

Bibliographische Angaben:
Yagi, Emi: „Frau Shibatas geniale Idee“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Steggewentz, Luise), Atlantik Verlag, Hamburg 2021, ISBN 978-3-455-01259-0  

Mittwoch, 18. September 2024

Emi Yagi

Emi Yagi wurde 1988 in der Präfektur Nagano geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften an der Waseda-Universität. Die Autorin lebt und arbeitet in Tokio. Derzeit ist sie noch angestellt und keine Vollzeitautorin.

Emi Yagi debütierte 2020 mit „Frau Shibatas geniale Idee“. Der Roman wurde mit dem Osamu Dazai-Literaturpreis prämiert und in 24 Sprachen übersetzt.

Interessante Links


Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Dienstag, 17. September 2024

„Eine kurze Begegnung“ von Emily Itami

Als Halb-Japanerin hat Emily Itami den Blick einer Ethnologin und beobachtet und illustriert besonders scharf, was Mutterschaft und Hausfrauendasein in Japan bedeutet. Ihre Protagonistin Mizuki ist durch Auslandsaufenthalte in den USA ebenfalls reich an kulturübergreifenden Erfahrungen und hadert mit ihrem Schicksal: Ihr Ehemann Tatsuya macht Karriere, macht ständig Überstunden, ist immer auf Abruf oder am Handy, um Arbeitsmails zu beantworten. Mizuki, die im Nightlife gearbeitet hat, vermisst ihr altes, glamouröseres Leben. Als Hausfrau und Mutter unterliegt sie dem Druck nach Perfektion. Sie soll gefälligst Kinder und Haushalt völlig im Griff haben, überall pünktlich mit adretten und gut erzogenen Sprösslingen auftauchen und lustige Bento-Boxen vorbereitet haben.

Eigentlich, ja eigentlich führt Mizuki ein gutes Leben und hat keinen Grund zur Klage. Doch die Tristesse des Alltags treibt sie in die Arme eines Liebhabers.

An sich fand ich das Thema von „Eine kurze Begegnung“ recht gut. Zudem arbeitet die Autorin Emily Itami kulturelle Unterschiede zwischen Japan und „dem Westen“ gut heraus und entführt den Leser auf eine kleine Sightseeingtour nach Tokio. Und jetzt kommt das Aber: Ich konnte mich mit der Protagonistin leider so überhaupt nicht anfreunden. Sie beschreibt sich als so ultrasexy, geht mit ihren französischen Freundinnen anlässlich der Fashion Week zu Chanel und hat natürlich Hammer-Outfits im Schrank. Da mag man der Autorin die Gesellschaftskritik „zu hohe Ansprüche an Mütter“ dann auch nicht mehr abnehmen, wenn ihre Protagonistin eine anderweitige, nämliche die optische Perfektion nach oben hält.

Zudem habe ich mir mit manchen Bandwurmsätzen wirklich schwer getan. Eine kleine Kostprobe:

„Dann, eines Tages, komme ich plötzlich zu mir, sehe in den Spiegel und frage mich Was habe ich noch mal gemacht, auf eine Weise, die völlig angemessen ist, wenn man gerade auf dem Weg ins Wohnzimmer war, um etwas zu holen, und einen der Gedanke an einen früheren Liebhaber abgelenkt hat, aber alles andere als ideal, wenn die Träumerei drei Jahre angedauert hat.“ (S. 67 f)

Vielleicht liegt’s an der Autorin, vielleicht auch an der Übersetzerin. So findet man teilweise auch ggf. falsch übersetzte Begriffe – ich kann hier nur vermuten da mir das englische Original nicht vorliegt. Als Mizuki aus New York zurückkehrt und in Tokio als Sängerin

„wieder von vorne beginnen würde, diesmal jedoch bewaffnet mit Aufnahmen und mehreren Sets und einem Teil des Jargons, wenn auch in der falschen Sprache.“ (S. 116)

Ist mit „Jargon“ nicht eigentlich „Repertoire“ gemeint? Jargon macht für mich so gar keinen Sinn.

Oder auch der erste Satz des letzten Kapitels, der da lautet:

„Das ist es.“ (S. 273)

Mag das im englischen Original ein „That’s it.“ sein? Dann würde man das doch eher mit „Das war’s.“ übersetzen, weil es einen Endpunkt markiert?

Insgesamt bin ich bei „Eine kurze Begegnung“ sehr zwiegespalten, inwieweit ich den Roman empfehlen würde. Vielleicht ist da ein bisschen Potenzial verloren gegangen, weil die sehr auf die eigene Optik fokussierte Protagonistin oberflächlich rüberkommt. Ein bisschen Potenzial wegen dem stockenden Lesefluss abhanden gekommen ist… Da wäre also noch Luft nach oben gewesen…

Bibliographische Angaben:
Itami, Emily: „Eine kurze Begegnung“ (Übersetzung aus dem Englischen: Karamustafa, Melike), Blessing, München 2023, ISBN 978-3-89667-749-5

Montag, 16. September 2024

Emily Itami

Leider lässt sich nicht allzu viel Biographisches über Emily Itami herausfinden. Die Autorin ist Halbjapanerin und wuchs in Tokio auf. Irgendwann zog sie nach London. Sie kehrte nach Tokio zurück und erlebte, was es in Japan bedeutet, Mutter zu sein. Diese Erfahrung inspirierte sie zu dem Roman „Eine kurze Begegnung“ (im englischen Original „Fault Lines“, was als „Verwerfungslinien“ für mich der passendere Titel gewesen wäre). Das Werk wurde für den Costa-Buchpreis nominiert.

Irgendwann zog Emily Itami zurück nach London. Sie arbeitet als freiberufliche Journalistin und Reiseautorin. 

Interessante Links: 


Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert: