Im Zentrum von Haruki Murakamis „Gefährliche Geliebte“ steht Hajime. Als Einzelkind aufgewachsen freundet er sich mit dem einzigen anderen Einzelkind in seiner Klasse an, der leicht gehbehinderten Shimamoto. Bis zum Alter von 12 Jahren sind die beiden Seelenverwandte; Shimamoto bringt in Hajime eine Saite zum klingen. Doch als Hajimes Familie wegzieht und er damit auf eine andere Schule als Shimamoto geht, wird die traute Zweisamkeit jäh beendet. Hajimes baldige neue Freundin ist Izumi. Doch Izumi ist für den Teenager Hajime eher ein Versuchsfeld für Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Nachdem er sie betrogen und zutiefst verletzt hat, will sie ihn nie wieder sehen.
Die Jahre in Hajimes 20ern sind trostlos. Keine Frau weckt den bestimmten Funken in ihm. Auch nach Freundschaften steht ihm nicht der Sinn. Seine Arbeit als Lektor in einem Schulbuchverlag ist fade und dröge. Sein Leben bekommt eine positive Wendung, als er Yukiko kennen und lieben lernt. Das Liebespaar heiratet und dank einer Anschubfinanzierung des Schwiegervaters kann Hajime seinen langweiligen Job als Lektor beenden und zwei Jazz-Clubs in Tokio eröffnen.
Doch die Geister seiner Vergangenheit lassen Hajime nicht los: Durch einen gemeinsamen Bekannten erfährt er vom Schicksal Izumis, die nach Hajimes Betrug nie wieder die Alte geworden war und nun der Schreck der Nachbarskinder ist. Eines Tages bekommt Hajime in einem Jazz-Club gar den lang ersehnten Besuch seiner ersten Liebe Shimamoto…
„Gefährliche Geliebte“ ist aber nicht nur die Geschichte einer ungebührlichen Liebschaft, sondern auch ein Roman über das Hineingezogen-Werdens in eine Gesellschaft, die man als Student noch abgelehnt hatte. Über kleine Wendungen des Schicksals, die ein ganzes Leben für immer verändern können. Und darüber, dass nichts für immer Bestand hat.
Ganz davon abgesehen, dass „Gefährliche Geliebte“ ein genialer Haruki Murakami-Roman ist, ist er bekannt als der Roman, der einen Eklat im Literarischen Quartett heraufbeschworen hat. Wer eine Kostprobe haben will – Löffler vs. Reich-Ranicki gibt’s hier. Nach dieser Sendung verließ Sigrid Löffler das Literarische Quartett.
So ganz unbegründet war Frau Löfflers Kritik wohl aber nicht. Der aus dem Englischen übersetzte Roman enthält manche Sätze, die etwas feinfühliger formuliert werden hätten können. Da über den kostengünstigen Umweg, das Buch aus dem Englischen zu übersetzen, offensichtlich einige typische Murakami-Nuancen verloren gegangen waren, zog der Verlag die Konsequenzen und investiert nunmehr in die direkte Übersetzung aus dem Japanischen. Seit Mai 2013 ist „Gefährliche Geliebte“ unter dem Titel „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ in der Übersetzung von Ursula Gräfe im Handel.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen