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Sonntag, 26. Oktober 2014

„Von Männern, die keine Frauen haben“ von Haruki Murakami

Nur ein halbes Jahr mussten Haruki Murakami-Fans auf die die deutsche Übersetzung des japanischen Originals von „Von Männern, die keine Frauen haben“ warten. Optisch hat der Dumont-Verlag ein fantastisches Cover kreiert – auf dem jedoch ein sperriger Titel prangt. Die englische Version geht mit „Men without Women“ schon viel leichter über die Lippen.

„What I wish to convey in this collection is, in a word, isolation, and what it means emotionally.“, sagt Haruki Murakami im Interview mit dem New Yorker über seinen Erzählband.

Das Gefühl der Isolation durchsetzt mit schwierigen Beziehungen zum anderen Geschlecht ist ohnehin ein klassisches Murakami-Thema. Mit „Von Männern, die keine Frauen haben“ präsentiert der Autor sieben neue „long short stories“ zu diesem Bereich.

Mit „Drive my Car“ betätigt Haruki Murakami den Anlasser des Bandes – und rekurriert nach „Norwegian Wood“ (aka „Naokos Lächeln“) erneut auf einen Beatles-Song. Auch wenn die Liedzeilen von „Drive my Car“ nicht wirklich zur Handlung der gleichnamigen Erzählung passen, so kommen doch einige Motive darin vor: ein Schauspieler, eine Chauffeurin und Sex. Der Schauspieler Kafuku ist von seiner Agentur dazu verdonnert worden, sich eine Weile fahren zu lassen, statt selbst seinen Saab durch die Stadt zu lenken. Auch wenn Kafuku von Frauen als Autofahrerinnen nicht allzu viel hält, stellt er die raubeinige Misaki auf eine Empfehlung hin ein. Ihr offenbart er während der gemeinsamen Autofahrten intime Details aus seiner Vergangenheit und seiner Ehe mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau.

Mit „Yesterday“ wird das Beatles-Thema wiederum aufgenommen. Kitaru, ein Freund des Ich-Erzählers aus Studententagen, verballhornt und trällert den Beatles-Hit mit Nonsense-Übersetzungen ins Japanische. Wie ein düsteres Omen hängen diese Textzeilen über Kitarus Beziehung zu dessen Jugendliebe Erika.

Die dritte Erzählung „Das eigenständige Organ“ fällt für mich etwas aus dem Band heraus, weil der Protagonist Tokai kaum greifbar wird. Es wird zwar viel über ihn berichtet, aber sein Bild und sein Leid, als er sich unglücklich verliebt, bleiben diffus.

Geheimnisvoll wie tausendundeine Nacht wird es in „Scheherazade“: Aus ungenannten Gründen muss Habara abtauchen. Sein einziger Kontakt zur Außenwelt ist eine Hausfrau, die Habara Scheherazade nennt – denn genauso wie die arabische Märchengestalt erzählt die Frau ihm Geschichten, die an einem Höhepunkt abbrechen. Jedoch schläft sie nicht des Nächtens mit ihm, sondern am Spätnachmittag. Während eines dieser Stelldicheins erzählt sie Habara unter anderem von ihrer Karriere als jugendlicher Stalkerin.

„Kinos Bar“ ist keine Kneipe, in der das Leben tobt – vielmehr ist sie ein Rückzugsort für ihren Besitzer Kino. Hier leckt Kino seine Wunden, die ihm die Trennung von seiner Ehefrau zugefügt hat. Doch das bequeme, aber leere Leben sollte Kino besser nicht länger weiterführen…

„Samsa in Love“ verspricht eine Umkehrung von Kafkas „Verwandlung“: Eines Tages wacht „er“ als Gregor Samsa auf – und muss sich nicht nur an das Leben als Mensch gewöhnen, sondern verliebt sich auch noch Knall auf Fall in eine bucklige Frau vom Schlüsseldienst.

Der Selbstmord seiner ehemaligen Geliebten ist der Auslöser für den Ich-Erzähler, sich Gedanken „Von Männern, die keine Frauen haben“ zu machen:

„Zu Männern, die keine Frauen haben, zu werden ist ganz leicht. Man braucht nur eine Frau leidenschaftlich zu lieben, die dann verschwindet. […] Und sobald ihr einmal Männer seid, die keine Frauen haben, dringt die Farbe der Einsamkeit tief in eure Körper ein. Wie verschütteter Rotwein in einen hellen Teppich.“ (S. 249)

„Das eigenständige Organ“ und die Erzählung „Von Männern, die keine Frauen haben“ haben mit am wenigsten in den typischen Murakami-Bann gezogen. Die mysteriösen bzw. kafkaesken Erzählungen „Kinos Bar“ und „Samsa in Love“ zählen für mich zu den Highlights des Bandes, die nur allzu sehr für eine Fortschreibung als Roman taugen würden.

Bibliographische Angaben:
Murakami, Haruki: „Von Männern, die keine Frauen haben“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Dumont, Köln 2014, ISBN 978-3-8321-9781-0

Samstag, 25. Oktober 2014

„Hana Bälz – Die Frau des Japanarztes Erwin Bälz“ von Ume Kajima

Wer von Ume Kajimas Werk genau das erwartet, was im Titel angekündigt wird – nämliche eine Biographie der Frau des Japanarztes Erwin Bälz, namentlich Hana Bälz, den wird die Lektüre etwas enttäuschen. Denn allzu viel Biographisches und Persönliches bleibt im Dunkeln. Es entsteht nur ein vages Bild des Charakters und der Gedankengänge der Hana Bälz, die doch allein durch ihren Lebenslauf sicherlich eine sehr spannende Persönlichkeit war.

1864 wurde Hana Bälz als Hatsu Arai geboren, ab 1887 oder 1888 lebte sie mit dem nach Japan gekommenen Medizin-Dozenten Erwin Bälz, der 15 Jahre älter als Hana war, in (wilder) Ehe. Es ist nur zu vermuten, dass sich das Paar in einem Café kennengelernt hat. Doch wie es sich zu lieben lernte, darüber weiß Ume Kajima leider nichts zu berichten. Auch nicht, ob Hanas Verwandte ihren Umgang mit einem Gaijin befürworteten oder ablehnten.

Die Persönlichkeit der Hana wird am prägnantesten dargestellt, als die gemeinsamen Kinder des Ehepaars geboren sind. Toku wird 1889 geboren, Uta 1893. Uta stirbt noch jung, was Hana in tiefste Verzweiflung stürzt. Als Toku mit elf Jahren nach Deutschland zur Ausbildung geschickt wird, ist der Abschied vom Kind ebenfalls sehr schwer für Hana.

Im Jahr 1905 kehrt Erwin Bälz zusammen mit seiner nunmehr getauften Frau Hana nach Deutschland zurück. Er stirbt acht Jahre später. Hana erlebt den ersten Weltkrieg in Deutschland; wird aber trotz ihrer Abstammung von dem verfeindeten Japan - wie Ume Kajima nicht müde wird zu betonen - in der neuen Heimat geachtet. 1922 kehrt sie nach Japan zurück und hofft darauf, die Ersparnisse, die Erwin Bälz dort angelegt hatte, abheben zu können. Doch während des Weltkriegs wurde das Eigentum des Feindes verstaatlicht. Mit Hilfe von Bekannten kann sie aber dennoch ein bequemes Leben in Japan führen. 1933 schreibt sie gar ein Buch über ihr Leben in Deutschland während des ersten Weltkriegs. 1937 stirbt Hana Bälz schließlich.

Sehr viel mehr erfährt der Leser über Erwin Bälz, der sich in Japan als Dozent, Befürworter von Kurorten und Hofarzt der Kaiserfamilie verdient gemacht hatte. Aus seinen Briefen liest man seine Fürsorge für seine Hana, die sich darum sorgte, ob Erwin Bälz sie nicht vergessen würde, als er zu längeren Aufenthalten nach Deutschland fuhr. So mag Ume Kajimas Werk „Hana Bälz – Die Frau des Japanarztes Erwin Bälz“ mehr für diejenigen Leser geeignet sein, die sich für die Persönlichkeit von Erwin Bälz und sein Wirken in Japan interessieren, als für die, die ein Porträt einer außergewöhnlichen Frau erwarten.

Zudem wirkt Ume Kajimas Werk eher wie eine unkritische Huldigung des fast schon sakrosant dargestellten Ehepaars Bälz. Viel lässt sich im Internet über das Leben von Hana Bälz zwar nicht in Erfahrung bringen, jedoch findet sich ein Artikel aus dem "Japan Magazin", der ein kritischeres Licht auf das Leben der Frau des Japanarztes wirft: Erwin Bälz legitimiert seine jahrelange Geliebte erst kurz vor seiner Rückkehr nach Deutschland, wo Hana eine Fremde bleiben wird und sich nicht mit der Art der Deutschen anfreunden kann. Groß muss ihr Heimweh nach Japan gewesen sein, da sie ein verarmtes Dasein in ihrem Vaterland dem sicherlich bequemeren Leben in Deutschland vorzog.

Bibliographische Angaben:
Kajima, Ume: „Hana Bälz – Die Frau des Japanarztes Erwin Bälz“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Yatsushiro, Sachiko), DVA, Stuttgart 1978, ISBN 3-421-01843X