Labels

Donnerstag, 16. Juni 2011

„Der stumme Schrei“/„Die Brüder Nedokoro“ von Kenzaburo Oe

Kenzaburo Oes „Der stumme Schrei“ um die ungleichen Brüder Nedokoro ist alles andere als leichte Kost. Der Roman, der auch als „Die Brüder Nedokoro“ erschien, beginnt damit, dass Mitsu, der ältere Bruder, sich im Pyjama, seinen stinkenden Hund unter den Arm geklemmt, in eine matschige Grube setzt und über die vergangene Zeit reflektiert: Sein Sohn kommt behindert auf die Welt und besitzt das Reaktionsvermögen einer Pflanze. Seine Frau betrinkt sich unaufhörlich. Sein bester Freund hat sich erhängt: Nackt, das Gesicht rot angemalt, mit einer Gurke im Hintern. Mitsu hat völlig resigniert, jeder Tag beginnt mit Angst, am liebsten würde er nur noch schlafen:

„Das wüste bittere Gift in meinem schmerzenden Körper vermehrt sich und droht, langsam wie Gelee aus einer Tube aus Ohren und Augen, Nase und Mund, After und Harnröhre hervorzuquellen…“ (S. 6)

Als Takashi, der jüngere Bruder und ehemaliger Studentenrevoluzzer, aus den USA nach Japan zurückkehrt, schlägt er Mitsu vor, gemeinsam für eine Weile in das Heimatdorf ihres Urgroßvaters nach Shikoku zu gehen.

Während Unruhen hatte der Urgroßvater einst seinen eigenen Bruder getötet, der der Rädelsführer des Aufstands war. Das Schicksal wird sich drei Generationen später wiederholen.

Wer Oes „Reißt die Knospen ab..“ mochte, wird von „Der stumme Schrei“ sicherlich enttäuscht sein. Der phlegmatische, passive Mitsu zieht den Leser glatt mit in seine Depression. Die Motive des aufwieglerischen Takashi sind genauso unzugänglich wie der von Selbstmitleid zerfressene Mitsu.

Interpretationsmöglichkeiten bietet „Der stumme Schrei“ sicherlich genug – aber ehrlich gesagt: Wären alle Oe-Bücher derartig anstrengend und depressiv, hätte ich bestimmt keines mehr gelesen. Wirklich alles andere als leichte Kost…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen