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Freitag, 30. Dezember 2022

Seishi Yokomizo

Seishi Yokomizo
(Photocredit: Creative
Commons)

Seishi Yokomizo wurde 1902 als zweiter Sohn einer Apothekerfamilie geboren. Als er fünf Jahre alt war, starb seine leibliche Mutter. Der Vater heiratete erneut.

Er arbeitete zunächst in einer Bank, besuchte dann jedoch die Berufsschule für Pharmazeuten. Während seiner Berufsschulzeit reichte er 1921 eine Geschichte bei einem Literaturpreis ein und gewann den ersten Platz.

1924 schloss er die Schule ab und arbeitete für zwei Jahre in der elterlichen Apotheke. 1926 zog er dann jedoch auf Einladung des Krimi-Autors Edogawa Rampo nach Tokio. Seishi Yokomizo verdingte sich hier als Chefredakteur einer Zeitschrift und als Übersetzer. Im Jahr 1927 heiratete er eine entfernte Verwandte seiner Stiefmutter, mit der er drei Kinder hatte. 1932 wurde er Vollzeit-Autor.

Seishi Yokomizo litt an Tuberkulose und begab sich 1934 in ein Lungensanatorium, wo er fünf Jahre bleiben sollte. Sein Schreibtempo belief sich in dieser Zeit auf drei bis vier Seiten pro Tag. Sein Roman „Onibi“ wurde von den Behörden in der Kriegszeit stark zensiert und ohnehin war Kriminalliteratur in dieser Zeit nicht erwünscht. So verlegte sich Seishi Yokomizo auf historische Romane.

1941 kehrte er nach Tokio zurück, wo er sich mehr schlecht als recht finanziell und gesundheitlich über Wasser hielt. Erst nach Kriegsende konnte er Medikamente in ausreichender Menge erhalten, um seinen Gesundheitszustand merklich zu bessern. Zudem war nun seine Zeit als Kriminalautor gekommen: 1948 hatte sein Detektivfigur Kosuke Kindaichi in „Die rätselhaften Honjin-Morde“ seinen ersten Auftritt. Mehr als 70 weitere Fälle sollten folgen.

Seishi Yokomizo starb 1981 an Darmkrebs.

Interessante Links:

Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Romane:

  • Das Dorf der acht Gräber
  • Mord auf der Insel Gokumon

Donnerstag, 29. Dezember 2022

„Zeremonie des Lebens“ von Sayaka Murata

In diesem (verlinkten) Interview gibt die Autorin Sayaka Murata an, dass sie besonderes Interesse an sich wandelnden oder völlig konträren Moralvorstellungen hat. Sie nimmt auch direkt Bezug auf Erzählungen, die in „Zeremonie des Lebens“ erschienen sind. Und tatsächlich: Der Leser wird in dem Band z.B. konfrontiert mit einem Japan, in dem sich die Bestattungsrituale völlig geändert haben. Was für den „normalen“ Werteradar völlig pietätlos erscheint, wir vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Bevölkerung zur neuen Normalität: Ein Verstorbener wird nicht etwa begraben oder eingeäschert, er wird zu einem schmackhaften Menü verkocht, an dem sich die Trauernden laben und stärken sollen. So richtig traurig sollen die Gäste dieses wörtlich zu nehmenden Leichenschmauses auch gar nicht sein. Sie sollen hier Partner für den Geschlechtsverkehr finden und sich fortpflanzen. Und so ist auch nichts Absonderliches daran, wenn sexuelle Praktiken in aller Öffentlichkeit ausgeübt werden – die Sexualpartner dienen ja gerade dem gesellschaftlichen Wohl, Nachwuchs zu zeugen.

Insbesondere die Themen des Todes und dem Umgang mit Leichen scheinen es Sayaka Murata angetan zu haben. Aber wer „Das Seidenraupenzimmer“ gelesen hat, dem dürfte ja ohnehin bekannt sein, dass die Autorin nicht unbedingt die leckersten Dinge thematisiert. So beschreibt die Autorin in „Ein herrliches Material“ eine Welt, in der menschliche Leichen als Ressourcen für Alltagsgegenstände verwendet werden.

Ein weiteres Thema ist unter anderem die Ernährung: Extreme Ernährungsverhalten treffen in „Mein wunderbarer Esstisch“ aufeinander, während in „Die essbare Stadt“ die Pflanzen der Großstadt vertilgt werden.

Jede der Geschichten öffnet den Blick in eine irgendwie verquere Welt, die den Leser aber immer fesselt. Sei es durch Ekel, Absurdität oder Eigentümlichkeit des Protagonisten. Das Thema der Wertvorstellungen bringt die Autorin selbst plakativ zur Sprache:

„Alle reden von gesundem Menschenverstand, Instinkt, Ethik und all diesen Dingen, als wären sie in Stein gemeißelt. Aber in Wahrheit verändern sie sich ständig und das nicht erst seit gestern […].“
(S. 105)

Sayaka Muratas Werke sind immer wieder ein Highlight. Und auch wenn ich Erzählungen nicht ganz so gern mag wie Romane, ist „Zeremonie des Lebens“ ein großer Lesetipp, den man nicht verpassen sollte.

Bibliographische Angaben:

Murata, Sayaka: „Zeremonie des Lebens“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Aufbau Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-351-03931-8