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Sonntag, 7. Oktober 2018

Atsuko Suga

Atsuko Suga wurde 1929 in Ashiya in der Präfektur Hyogo geboren. Ihre Familie betrieb ein erfolgreiches Wasserbauunternehmen.

Sie wuchs Nishinomiya und in Tokio auf. Sie studierte an der Sacred Heart Universtität in Tokio und schloss daran ein Masterstudium an der Keio im Fachbereich Soziologie an.

1953 ging Atsuko Suga für ein Jahr nach Paris, um dort vergleichende Literaturwissenschaften zu studieren. Die Sommerferien des Jahres 1954 verbrachte sie in Perugia, wo sie einen Italienisch-Sprachkurs absolvierte und ihre Begeisterung für Italien geweckt wurde. 1958 kehrte sie mit einem Stipendium nach Europa zurück, um in Rom an der Regina Mundi Universität zu studieren.

In Mailand kam Atsuko Suga in Kontakt mit einer Gruppe von katholischen Intellektuellen, die sich in der Buchhandlung von Giuseppe „Peppino“ Ricca traf. Atsuko Suga war schon vorher zum Katholizismus konvertiert und begeisterte sich für die Freiwilligenarbeit der Gruppe. Ende des Jahres 1960 heirateten Atsuko Suga und Giuseppe Ricca in Udine. Gemeinsam widmeten sie sich der Übersetzung von japanischer Literatur ins Italienische. Werke von Junichiro Tanizaki und Yasunari Kawabata wurden nun das erste Mal für italienische Leser zugänglich gemacht.

Nach Guiseppe Riccas überraschendem Tod im Jahr 1967 zerfiel die Intellektuellengruppe und Atsuko Suga entschloss sich, 1971 nach Japan zurückzukehren. Um nicht auf das Geld ihrer Familie angewiesen zu sein, unterrichtete sie Teilzeit an diversen Universitäten und verrichte Freiwilligenarbeit zugunsten von Obdachlosen. In den 80er Jahren erhielt sie einen Posten als Assistenzprofessorin an der Sophia Universität und begann 1985 mit dem Schreiben von Essays über ihre Erfahrungen in Italien. Diese wurden zunächst einzeln in einer Literaturzeitschrift abgedruckt und später als Essayband „Mailand: Szenen im Nebel“ herausgegeben, der hoch gelobt und sowohl mit dem japanischen Frauenliteraturpreis als auch dem Kodansha-Essay-Preis ausgezeichnet wurde. Die nächsten Jahre publizierte sie eifrig.

1997 musste sich Atsuko Suga wegen eines Eierstocktumors einer Operation unterziehen. 1998 starb sie an Herzversagen.

Seit 2014 wird der Atsuko Suga-Übersetzungspreis verliehen, mit dem Übersetzungen vom Italienischen ins Japanische ausgezeichnet werden.

Interessante Links:

Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Werke:
  • Männer, die durch den Regen laufen

Mittwoch, 3. Oktober 2018

"Die Ladenhüterin" von Sayaka Murata

Sayaka Muratas Protagonistin Keiko ist in zweifacher Hinsicht eine Ladenhüterin: Einerseits im wörtlichen (sie arbeitet in einem kleinen Supermarkt), andererseits im übertragen Sinn (mit ihren 36 Jahren ist sie immer noch Single und gilt im Freundes- und Familienkreis als schwer vermittelbar).

Bereits in Keikos Kindheit hat sich abgezeichnet, dass ihre Gedankenwelt einer anderen Logik unterliegt als der ihrer Mitmenschen. Als ein von negativer Resonanz gebranntes Kind hat sie sich zurückgezogen, um nicht weiter aufzufallen. Erst in ihrer zunächst als Studienjob gedachten Tätigkeit in einem kleinen Supermarkt (in Japan Konbini genannt) wird ihr ein Raum eröffnet, der für sie wie eine Erlösung wirkt: Im Konbini herrschen ganz klare, ersichtliche Regeln, die sie von Reflektion entbinden. Dadurch läuft sie nicht in Gefahr, sich seltsam zu verhalten und wird also als zugehörig und "normal" wahrgenommen. Daher spricht Keiko auch davon, dass sie im Konbini eigentlich erst richtig geboren wurde.

Doch die Vertreibung aus dem Paradies droht, als der Taugenichts Shiraha im Supermarkt zu arbeiten beginnt. Die Außenseiter tun sich schließlich zusammen, um der Welt vorzugaukeln, sie seien ein Liebespaar. Angeblich gehört es sich ja doch für normale Leute in einer Beziehung zu sein. Und Normalität ist wiederum anzustreben, um nicht negativ aufzufallen.

"Die Ladenhüterin" entwickelt durch Keikos Sichtweise auf die Welt eine überraschende Perspektive darauf, was wir Normalität nennen. Man muss wahrlich schmunzeln, wenn man lesen darf, dass Keikos Verwandten eine unglückliche Keiko in einer schrecklichen Beziehung lieber ist als eine glückliche, asexuelle Supermarktmitarbeiterin. Letzteres ist halt nicht normal – insbesondere wenn man mit einem Uni-Abschluss doch auch als Office-Lady in einem besseren Angestelltenverhältnis arbeiten könnte…

Vielleicht lässt sich die Moral der Geschichte ganz gut so festhalten: Jeder soll nach seiner Façon selig werden. Und manchmal ist ein kleiner Reminder, dass die angeblich unumstößliche Normalität nichts weiter als ein kontingentes Schema ist, eine feine Sache – insbesondere wenn er sich so herrlich absurd liest wie Sayaka Muratas „Die Ladenhüterin“.

Bibliographische Angaben:
Murata, Sayaka: "Die Ladenhüterin" (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Aufbau, Berlin 2018, ISBN 978-3-351-03703-1

Dienstag, 2. Oktober 2018

Sayaka Murata

Die 1979 in Inzai/Präfektur Chiba geborene Autorin Sayaka Murata begeistert sich seit ihrer Kindheit und immer noch für Mangas. Als Schülerin begann sie mit dem Schreiben. An der privaten Tamagawa-Universität in Tokio studierte sie schließlich Literaturwissenschaften.

2003 debütierte sie mit der Kurzgeschichte „Stillen“, die mit dem Gunzo-Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde. 2009 erhielt sie den Noma-Preis für „Silver Song“, 2013 den Mishima-Preis für „Von Knochen, Körpertemperatur und verschiedenen Städten“. „Die Ladenhüterin“ wurde 2016 mit dem 155. Akutagawa-Preis prämiert.

Trotz ihres literarischen Erfolgs jobbte Sayaka Murata lange Zeit als Supermarktangestellte. Ihre Kunden inspirierten sie für ihre Werke und Charaktere. Letztere bringt sie im Stil von Mangas zunächst auf Papier, um sie schließlich mit Worten zu beschreiben. Erst als ihre Fans zu penetrant wurden und an ihrem Arbeitsplatz vorbei kamen, kündigte sie ihre Stelle im Supermarkt.

Ihre Werke sind gesellschaftskritisch und thematisieren oft die Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft.

Interessante Links:

Hier rezensierte Romane:

 
Weitere Werke:

  • Zeremonie des Lebens (Veröffentlichung geplant für September 2022)

Montag, 1. Oktober 2018

"Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden" von Genki Kawamura

Der namenlose Ich-Erzähler in Genki Kawamuras "Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden" erfährt, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Ihm wird ein Gehirntumor im Endstadium attestiert. Ihm bleibt ihm günstigsten Fall ein halbes Jahr zu leben. Im ungünstigsten Fall nur noch wenige Tage.

Viel Zeit hat er allerdings auch nicht, diese Schocknachricht zu verarbeiten, da ihm urplötzlich der Teufel erscheint. Der schlägt ihm einen ungewöhnlichen Pakt vor: Jeden Tag soll etwas von der Erde verschwinden, was der Teufel auswählt. Und mit jedem verschwundenen Gegenstand wir dem Todgeweihten ein weiterer Tag zu leben gewährt - andernfalls wird er am nächsten Tag das Zeitliche segnen.

Der Deal klingt zunächst ausgezeichnet. Die Welt steckt doch schließlich voll nutzlosem Plunder. Zuerst sollen auf Geheiß des Teufels die Telefone von der Welt verschwinden. Was zuerst gar nicht so dramatisch klingt, versetzt den Ich-Erzähler dann doch in eine kleine Panik - ein letztes Mal will er dann doch noch seine Ex-Freundin kontaktieren und sich für den nächsten Tag verabreden. Was sich der Teufel für den nächsten Tag wohl ausdenkt?

"Wenn alles Katzen von der Welt verschwänden" ist ein kleines Buch voll kleiner Weisheiten. Der Teufel lacht den Ich-Erzähler aus, als er eine Liste mit den Dingen schreibt, die er gerne mal machen würde und darauf einen Fallschirmsprung setzt. Erst durch den Pakt mit dem Teufel kommt die Erkenntnis, was wirklich wichtig ist und welches Projekt der Ich-Erzähler wirklich noch beenden muss.

Dank der überzeichneten Figur des Teufels rutscht der Roman auch nicht ins Kitschig-Triefende ab. So erscheint der Teufel als Gegenteil des Ich-Erzählers: Während letzterer sich ausschließlich in Schwarz-Weiß kleidet, erscheint der Teufel in grellbunten Hawaii-Hemden und bekommt den Spitznamen Aloha. Allzu menschlich wirkt er, wenn er Schokolade als viel zu köstlich empfindet, um sie verschwinden zu lassen.

Nichtsdestotrotz wird man gegen Ende des Romans nicht umhin kommen, doch noch das eine oder andere Tränchen zu vergießen. Es wird zwar nicht alles gut, aber zumindest die eine Sache, die der verstorbenen Mutter des Ich-Erzählers besonders am Herzen lag...

Bibliographische Angaben:
Kawamura, Genki: "Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden" (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), C. Bertelsmann, München 2018, ISBN 978-3-570-10335-7