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Freitag, 31. Mai 2013

Kikou Yamata

Kikou (manchmal auch: Kiku) Yamata wurde als 1897 als Tochter des japanischen Diplomaten Tadazumi Yamada und einer Französin in Lyon geboren. 1908 ging die Familie nach Tokio, wo Kikou Yamata die Heiliges-Herz-Schule besuchte. Erste Artikel der Autorin wurden in der Yomiuri-Zeitung veröffentlicht.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1923 ging Kikou Yamata mit ihrer Mutter zurück nach Frankreich, wo sie an der Pariser Sorbonne studierte. Als Kimono-tragende Exotin eroberte sie die literarischen Salons von Paris, wo sie Größen wie Jean Cocteau und Paul Valéry kennen lernte. 1925 veröffentlichte Kikou Yamata ihren ersten Roman „Masako“. Neben eigenen Publikationen widmete sie sich aber auch einer ersten Übersetzung des Genji Monogatari ins Französische und präsentierte die japanische Blumensteckkunst Ikebana.

1932 heiratete sie den schweizerischen Maler Conrad Meili. 1939 ging das Ehepaar nach Japan, wo es fast zehn Jahre bleiben sollte. Das Paar wohnte in Kamakura und wurde von der Polizei beobachtet. 1944 wurde Kikou Yamata für drei Monate inhaftiert.

Zurück in Europa begann sie wieder zu schreiben und Ikebana zu fördern. 1975 starb die umtriebige Autorin.

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Ins Deutsche übersetze Romane und hier rezensiert:

Donnerstag, 30. Mai 2013

„Der Tempel der Morgendämmerung“ von Yukio Mishima

„Der Tempel der Morgendämmerung“, der dritte Teil von Yukio Mishimas Tetralogie „Meer der Fruchtbarkeit“ nach „Schnee im Frühling“ und „Unter dem Sturmgott“ hat mich bisher am wenigsten mitgerissen, vielleicht sogar richtiggehend enttäuscht. Die Story wirkt entsetzlich konstruiert, teilweise nur irgendwie zusammen geschustert. Die Entwicklung des Protagonisten Honda im zweiten Teil des Buches ist kaum nachzuvollziehen, genauso wenig wie seine Motivationen im ersten Teil.

Yukio Mishimas Roman beginnt im Jahr 1940, als Honda in Bangkok weilt. Hier erfährt er von der siebenjährigen Prinzessin Ying Chan, die steif und fest behauptet, in ihrem früheren Leben ein Japaner gewesen zu sein, weswegen man sie für verrückt hält. Hondas Interesse ist jedoch geweckt und er erhält dank seiner ehemaligen Beziehungen zum thailändischen Hof eine Audienz bei der Prinzessin. Sie scheint Honda direkt wieder zu erkennen, kann auf Hondas Fragen zum Leben von Kiyoaki und Isao korrekt antworten. Nur leider scheint Ying Chan nicht über dieselben Leberflecke wie Kiyoaki und Isao zu verfügen.

Bis zu diesem Teil der Geschichte kann man den Motivationen Hondas noch folgen, aber der Herr scheint noch nicht einmal überrascht von dieser Entdeckung zu sein, noch wird seine Neugier entfacht. Er nimmt diese Entwicklungen einfach so hin wie die Wettervorhersage. Kurz darauf bricht er auf eine Reise nach Indien auf, auf die in geradezu lästiger Weise später rekurriert wird. Zurück in Japan beginnt Honda mit seinen theoretischen Studien zur Wiedergeburt, die in „Der Tempel der Morgendämmerung“ ziemlich ausgewalzt werden und streckenweise langweilen.

Im Jahr 1952 setzt die Handlung des zweiten Teils ein: Honda ist zu großem Vermögen gekommen und Ying Chan kommt zum Studium nach Tokio. Der Vernunftsmensch Honda hat sich aus irgendwelchen Gründen zum Spanner entwickelt. Deswegen hat er auf seinem Landsitz auch ein Guckloch von seinem Arbeitszimmer ins nebenan liegende Gästezimmer installieren lassen. Er verkehrt mit Dichterinnen und Intellektuellen, hat sich von seiner Ehefrau Rie aber entfremdet. Er beginnt eine Intrige um Ying Chan zu spinnen: Er möchte herausfinden, ob sie dieselben Leberflecke wie Kiyoaki und Isao hat. Er beginnt zudem, sich in die schöne Exotin zu verlieben. Und obwohl sowohl die Liebe als auch die Neugier um die Leberflecke ein leidenschaftliches Unterfangen sein sollten, erscheint Honda dabei kalt. Dadurch wirkt die Handlung des zweiten Buches unzugänglich und die Lektüre macht gelinde gesagt so überhaupt keinen Spaß. Das fade Ende krönt die ohnehin nicht gerade spannende Handlung. Wäre Ying Chan wie Kiyoaki in „Schnee im Frühling“ und Isao in „Unter dem Sturmgott“ in den Fokus gerückt worden, wäre dies dem Roman sicherlich zu Gute gekommen. Statt dessen avanciert Honda zum langweiligen Protagonisten.

Bleibt nur zu hoffen, dass der vierte und letzte Teil „Die Todesmale des Engels“ nicht genauso ermüdend ist wie „Der Tempel der Morgendämmerung“.

Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Der Tempel der Morgendämmerung“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt, Siegfried), Hanser, München/Wien 1987, ISBN 3-446-14614-8

Dienstag, 28. Mai 2013

„Aufstieg und Fall des Macias Guili“ von Natsuki Ikezawa

Navidad ist eine fiktive Inselgruppe im Pazifik, bestehend aus den drei Hauptinseln Gaspar, Melchor und Baltasar. „Entdeckt“ wurde Navidad am 25. Dezember 1645 vom Spanier Baltasar Halan de Valencia – was läge da näher, die Inselgruppe Navidad und die einzelnen Inseln nach den heiligen drei Königen zu nennen. Dass Navidad schon vorher einen Namen hatte, nämlich Galagilagula (= Lärm erfüllte Insel), stört den Weltentdecker wenig, geht es doch darum, Kolonien zu erobern.

So beginnt Navidads Schicksal als Spielball zwischen den Großmächten: Nach den Spaniern kommen die Deutschen, nach den Deutschen die Japaner, nach den Japanern die US-Amerikaner. Nach Jahren der Fremdherrschaft erhält Navidad endlich seine Unabhängigkeit – doch Präsident Macias Guili muss dennoch mit einer Großmacht paktieren, um das Land vorwärts zu bringen. Er wählt die Japaner, die ihm den lukrativen Vorschlag unterbreiten, ein Erdöllager in Form von Öltankern an einem malerischen Riff vor Baltasar einrichten zu wollen. Doch auch eine weitere Affäre, die mit Japan zusammenhängt, beschäftigt den Präsidenten: Just als ein japanisches Komitee zur Befriedung der soldatischen Totenseelen zu Besuch kommen will, wird die Hauptstadt mit seltsamen Plakaten tapeziert, ein japanisches Tempeltor wird mutwillig zerstört und als die japanische Fahne zur Begrüßung der Gruppe gehisst werden soll, geht die Flagge in Flammen auf.

Um das Desaster noch zu toppen, verschwindet der Touristenbus, der die japanischen Herren kutschieren soll, samt den Insassen spurlos. Nur verrückte Gerüchte machen sich breit, wo der Bus wohl überall gesichtet sein soll: Hat er sich mit auf die Fotos eines Bikinimoden-Shootings geschmuggelt? Ging er auf Tauchgang? Ist ein Sternbild aus ihm geworden? Alles scheint möglich, denn Navidad und insbesondere die Insel Melchor stehen für phantastisch-spirituelle Erlebnisse, die ganz natürlich einen Platz im Alltag der Menschen haben. Daher ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass der Präsident den Geist Lee Boo beschwört und sich eine Wahrsagerin ins Haus holt, der lila Schmetterlinge auf Schritt und Tritt zu folgen scheinen.

Nichtsdestotrotz ist Natsuki Ikezawas Roman „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ auch eine bissige Persiflage auf Kolonialisierung, Kapitalismus und Globalisierung. Angereichert mit phantastischen Elementen spannt der Autor einen farbenfrohen Südseetraum auf, der trotz der über 500 Seiten nie langweilig wird. Die außergewöhnlichen Charaktere tun ein Übriges, um völlig in den Roman eintauchen zu können.

Wer hätte gedacht, dass es so etwas wie einen poetischen Politroman gibt? „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ ist jedenfalls ganz großes Kino. Chapeau!

Bibliographische Angaben:
Ikezawa, Natsuki: „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), bebra, Berlin 2002, ISBN 3-86124-540-X

Sonntag, 26. Mai 2013

Natsuki Ikezawa

Der Autor Natsuki Ikezawa ist der 1945 in Hokkaido geborene Sohn des Schriftstellers Takehiko Fukunaga und der Dichterin Akiko Harajo. An der Saitama-Universität studierte er Physik, schrieb jedoch bereits Gedichte und literarische Kritiken. Zudem übersetzte er unter anderem Werke von Jack Kerouac und John Updyke. Aus Interesse an der griechischen Zivilisation und aus Freude am Reisen ging er 1975 für drei Jahre nach Griechenland, was sich in seinen Übersetzungen der Untertitel aller Filme von Theo Angelopoulos niederschlug.

1984 erschien mit „Die Stratosphäre der Sommermorgen“ Natsuki Ikezawas erster Roman, der die Geschichte von Robinson Crusoe adaptiert. Im Folgenden erhielt der Autor unter anderem den Akutagawa-, den Yomiuri-, den Tanizaki und den Manichi-Literaturpreis für seine Werke.

In den 90er Jahren lebte Natsuki Ikezawa für eine Weile in Frankreich, hat sich jedoch zwischenzeitlich in Okinawa niedergelassen, um einen dezentrierten Blick auf die Gesellschaft zu erhalten. Dies spiegelt sich in seinen Romanen wider, die oftmals auf pazifischen Inseln angesiedelt sind. Sie sind zudem meist geprägt von metaphysischen Elementen.

Seit 2011 ist Natsuki Ikezawa Chefredakteur der Literaturzeitschrift Bungei. Er ist sozial engagiert, macht sich für den Ausstieg aus der Atomkraft stark und zeigt die Probleme der Ainu-Minderheit auf. 2002 ging er mit dem Fotograf Seiichi Motohashi in den Irak. Seine Reportage über diesen Aufenthalt „Auf einer kleinen Brücke im Irak“ steht in deutscher Übersetzung auf seiner Homepage zum kostenlosen Download bereit.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Montag, 20. Mai 2013

„Unauslöschlich“ von Akira Yoshimura

„Unauslöschlich“ ist die Schuld von Akira Yoshimuras Protagonisten Kikutani. Als er seine Ehefrau und ihren Liebhaber inflagranti erwischt hat, sieht der Gymnasiallehrer Kikutani rot: Er schnappt sich ein Messer, verletzt den Liebhaber und tötet seine Ehefrau. Damit nicht genug: Er legt Feuer im Haus des Liebhabers; dessen alte Mutter kommt im Flammenmeer um.

16 Jahre sind vergangen und Kikutani, zu lebenslänglichem Arrest verurteilt, bekommt die Chance wegen guter Führung auf Bewährung entlassen zu werden. Zwar macht er auf alle Instanzen den Eindruck, er würde seine Tat bereuen, doch insgeheim weiß er, dass seine Tat unausweichlich war. Geradezu mechanisch und ruhig ging er zu Werke – und würde in dieser Situation auch sicherlich erneut genauso handeln, könnte er die Zeit zurückdrehen.

Der Leser begleitet den entlassenen Sträfling bei seiner Resozialisierung: Zunächst wird er im Übergangsheim von Kiyoura untergebracht, der Ex-Häftlingen mit Rat und Tat zur Seite steht: Wie haben sich die Preise in den letzten Jahren entwickelt? Wie kommt man in einem Kaufhaus zurecht? Wie mit den vielen Leuten auf der Straße? Und wie mit diesen blöden, neumodischen Rolltreppen? Kiyoura vermittelt Kikutani auch einen Job als Hilfsarbeiter auf einer Hühnerfarm. Hier muss sich Kikutani wappnen: Denn seine Vergangenheit als entlassener Mörder darf auf keinen Fall entlarvt werden. Kikutani gilt bald als mustergültiger Ex-Häftling auf Bewährung. Doch in ihm brodelt es: Obwohl er nicht mehr im Gefängnis ist, ist er trotzdem unter intensiver Kontrolle seines Bewährungshelfers und unfrei. Insbesondere seine baldige neue Ehefrau kann sich mit dieser Situation nicht arrangieren.

„Unauslöschlich“ ist ein primär leises Buch, das Kikutanis Weg zurück in ein geregeltes Leben beschreibt und in Rückblenden die Geschehnisse beleuchtet, die zu den Morden geführt haben. Spannende Handlung bietet der Roman nicht, dafür das Psychogramm eines Mörders aus Affekt und eines Ex-Häftlings in Resozialisierung. 

Recht untypisch für den btb-Verlag sind allerdings die unzähligen Rechtschreibfehler. Da steht Kikutani mal vor einem „Real“ statt vor einem Regal, „treut“ sich statt sich zu freuen und heißt kurzzeitig Kikitani.

Bibliographische Angaben:

Yoshimura, Akira: „Unauslöschlich“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Sabine Mangold), btb, München 2004, ISBN 3-442-73192-5

Montag, 13. Mai 2013

„Japanische Dreigroschenoper“ von Takeshi Kaiko

Auf 1,2 Millionen Quadratmetern erstreckt sich das Bergwerk Sugiyama – nur durch einen Abwasserkanal von Osakas Elendsviertel getrennt. Der ehemalige Sitz einer Waffenfabrik wird in den 50er Jahren zum Revier der Apachen, von organisierten und unorganisierten Kleinkriminellen, die im Elendsviertel hausen, Altmetalle aus dem Bergwerk ausbuddeln und sich bei Händlern versilbern lassen. Ständig verfolgt von der Polizei haben sie den Spitznamen Apachen bekommen: In kleinen Gruppen fallen sie im Bergwerk ein, sind besonders leichtfüßig und verständigen sich in einer unverständlichen Sprache (unter anderem auf Koreanisch) und gleichen so dem legendären Indianerstamm.

Der Landstreicher Fukusuke wird vom Bandenchef Kim rekrutiert. Im goldenen Zeitalter der Apachen ist jeder Helfer recht, denn es gibt genügend Altmetalle für alle, die „angelacht“, sprich: stibitzt, werden können. Eine anarchische Stimmung herrscht im Elendsviertel und dennoch kommt keiner zu kurz; für jeden wird eine bezahlte Aufgabe beim Metallklau gefunden. Fukusuke wird von Kim angelernt. Für seine Lehrstunden muss er jedoch in Tasche greifen. Bald ist Fukusuke ein festes Mitglied von Kims Bande und kommt hinter einige Tricks, wie der Bestechung der Wächter und dem besten Umgang mit der Polizei.

Doch je dreister die Apachen werden, desto größer ihr Ruhm, desto mehr Gesindel lässt sich bei ihnen nieder und desto größer fällt die Gegenwehr der Polizei aus. Ein immerwährendes Katz-und-Maus-Spiel startet und beginnt, die Apachen aufzureiben.

Als von einem Silberfund berichtet wird, versuchen die Apachen sich ein letztes Mal aufzubäumen und diesen Schatz in die Finger zu bekommen.

Takeshi Kaikos „Japanische Dreigroschenoper“ ist freilich an Bert Brechts „Dreigroschenoper“ angelehnt. So kritisiert auch Takeshi Kaiko die Bourgeoisie, die den Apachen keinen Spielraum zum Überleben lässt, sich hinter Bürokratie verschanzt und auf Rechtslagen pocht. Die Diskriminierung von Koreanern tut ihr übriges. Trotzdem ist die Lektüre des Buches eine Heidengaudi, wenn die verschrobenen Charaktere ausziehen, um die Polizei zum Narren zu halten, Pech und Schwefel nach einem Tauchgang im Abwasserkanal zu spucken und sich wie die Glücksritter jede Nacht aufs Neue Waren „anzulachen“. Die Dialoge im Gangsterjargon zeichnen ein lebendiges Bild vom Dasein im Elendsviertel.

Bibliographische Angaben:
Kaiko, Takeshi: „Japanische Dreigroschenoper“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Berndt, Jürgen), Volk & Welt, Berlin 1967

Sonntag, 12. Mai 2013

„Lob des Schattens“ von Junichiro Tanizaki

In seinem Essay „Lob des Schattens“ aus den 30er Jahren philosophiert Junichiro Tanizaki über die Schönheit des Schattens, die in dem japanischen Ästhetikempfinden verankert ist – ganz im Gegensatz zum Westen, wo am liebsten jede noch so unbedeutende Ecke grell ausgeleuchtet würde. Ein bisschen verquer steigt der Autor für den westlichen Leser ins Thema ein – ist ihm doch besonders ein hell gefliestes Klo extrem zu wider. Helligkeit bedeutet für ihn Indiskretion an einem sehr intimen Ort. Und da guter Geschmack mit Kälte einhergeht, soll es auch auf dem stillen Örtchen kalt sein.

Ganz generell harmonieren für Junichiro Tanizaki die westlichen Annehmlichkeiten wie Öfen und elektrisches Licht nicht mit japanischen Häusern. Zwar mag der Autor zwar selbst nicht auf diese technischen Errungenschaften verzichten, quält sich jedoch arg, einen Weg zu finden, diese in sein Haus zu integrieren und gleichzeitig sein Budget nicht überzustrapazieren.

Auch beim Essen spielt die Dunkelheit eine Rolle:

„gewiss ist jedenfalls, dass der Appetit um die Hälfte abnimmt, wenn man japanische Speisen an einem hellen Ort aus weißlichem Geschirr isst.“ (S. 30)

So soll es für ihn bestenfalls im Zimmer schummrig sein und die Gerichte sollen in dunklem Lackgeschirr serviert werden. Der Essende wird die Speisen gleich viel ehrfürchtiger zu sich nehmen.

Junichiro Tanizaki führt noch weitere Beispiele für die Relevanz des Schattens in der japanischen Ästhetik auf: die Schummrigkeit auf der No-Bühne, die schwarz gefärbten Zähne der Frauen, die im Schatten liegende Tokonoma-Nische. Denn schließlich gilt für die japanische, traditionelle Ästhetik:

„Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selber zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.“ (S. 53)

Schlecht ernst nehmen kann man den Autor jedoch, wenn er behauptet, weiße US-Amerikaner hätten ein untrügliches Gespür für Mischlinge, die auch nur ein klitzekleines bisschen schwarzes Blut in sich trügen. Da unterstellt er den Westlern sicherlich zuviel Drang nach Helligkeit.

Heutzutage mutet „Lob des Schattens“ ein bisschen kurios an – denkt man insbesondere an das nächtliche, hell erleuchtete Tokio und an beheizbare, japanische Klobrillen.

Bibliographische Angaben:
Tanizaki, Junichiro: „Lob des Schattens“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Klopfenstein, Eduard), Manesse, Zürich 2009, ISBN 978-3-7175-4039-7

Freitag, 10. Mai 2013

„Japan sinkt“ von Sakyo Komatsu

Als Onodera im Hauptbahnhof von Tokio unvermutet auf seinen Kumpan Go trifft, ahnen die beiden noch nicht, dass der Grund ihrer jeweiligen beruflichen Reisen derselbe ist: Onodera soll mit einem Tiefseetauchboot eine Forschungsarbeit unterstützen, um den Untergang einer kleinen, japanischen Insel zu untersuchen. Go soll prüfen, warum die Arbeiten am Gleisbett für den neuen Superexpress abgebrochen werden mussten. Der verschrobene Wissenschaftler Professor Tadokoro, der mit Onodera auf Tauchgang geht, zählt eins und eins zusammen: Der Erdmantel scheint in Bewegung geraten zu sein, die Auswirkungen auf Japan erscheinen katastrophal. Dank der Förderung durch einen reichen Gönner kann Professor Tadokoro ein Forschungsteam auf die Beine stellen, dem auch Onodera angehören wird. Wie der Titel von Sakyo Komatsus Roman schon verrät: Japan wird über kurz oder lang im Meer versinken.

Aus unterschiedlichen Perspektiven werden die diversen Vulkanausbrüche und Tsunamis geschildert, die über Japan hereinbrechen und tausende Menschenleben fordern. Wann soll die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit sagen, wenn zu befürchten steht, dass eine Massenpanik ausbricht? Und wer mag bloß bereit sein, die Millionen Flüchtlinge aufzunehmen, die evakuiert werden müssen? Wie ist das logistische Problem zu stemmen, das eine derartig große Evakuierungsmaßnahme mit sich bringt?

Seit 3/11 rückte Sakyo Komatsus Katastrophenroman aus dem Jahr 1973 wieder verstärkt ins Interesse der Leser. Das Werk, das in Deutschland auch als „Wenn Japan versinkt“ erschien, basiert auf der auf ein Drittel gekürzten amerikanischen Version. Sicherlich ist es ein bisschen schade, dass somit nur ein Teil des Romans ins Deutsche übertragen wurde, doch für mich war die Länge des Romans mit guten 260 Seiten genau richtig. Sicherlich hätten die Charaktere von einer ausführlicheren Darstellung profitieren können, doch mein Bedarf an Katastrophenszenerien war nach der Lektüre gesättigt.

Bibliographische Angaben:
Komatsu, Sakyo: „Japan sinkt“ (Übersetzung aus dem Amerikanischen: Schultz, Klaus), Volk & Welt, Berlin 1987, ISBN 3-353-00119-0

Donnerstag, 9. Mai 2013

„Zeit der Zikaden“ herausgegeben von Tadao Araki & Ekkehard May

„Die hier vorgestellten Autoren sind im deutschen Sprachraum noch so gut wie unbekannt“ (S. 13), sagen die beiden Herausgeber Tadao Araki und Ekkehard May im Vorwort der 1990 erschienen Anthologie „Zeit der Zikaden“. 2013 hat sich daran mit einer Ausnahme, die da Haruki Murakami bildet, fast nichts geändert. Von einigen wenigen wie Yoshikichi Furui, Sho Shibata und Yuko Tsushima liegen nun zwar zwischenzeitlich einige wenige Veröffentlichungen auf Deutsch vor, was die Autoren aber nicht zwangsläufig bekannter gemacht hat. „Zeit der Zikaden“ bietet damit auch mehr als zwanzig Jahre später noch immer eine interessante Auswahl an japanischen Autoren und einen interessanten Einblick in die japanische Literatur.

Takashi Atoda ist mit zwei Kurzgeschichten vertreten. In „Tod eines Angestellten“ steht Matsumoto auf dem Hochhaus, in dem sich sein Büro befindet. Der Abschiedsbrief ist geschrieben, die Schuhe sind ausgezogen, Matsumoto ist bereit zu springen. In seinen letzten Momenten reflektiert er die Geschehnisse, die ihn in den Selbstmord getrieben haben.

Eine „Zigeunerprophezeiung“ vernimmt Harada in einer Bar in Shinjuku. Eine Frau liest die Zukunft, die zwar so eintreffen wird, aber doch etwas anders ausfällt als vermutet.

Um eine Männerfreundschaft geht es in Yoshikichi Furuis „Das Tal“. Koike, Nakamura und der Ich-Erzähler verbindet die Passion fürs Bergsteigen. Als Koike nach schwerer Krankheit stirbt, machen sich Nakamura und der Ich-Erzähler zu zweit auf den Weg in die Berge. Da war eine Geschichte aus ihrer Jugend, die Koike ziemlich verstört hatte, als er damals in das Antlitz des Todes gesehen hatte.

Auch Shinichi Hoshi ist zweifach in „Zeit der Zikaden“ vertreten. „He, komm raus!“ ruft ein Mann in Loch, das sich nach einem großen Sturm im Boden aufgetan hat und das man für einen Fuchsbau halten könnte. Doch es kommt kein Echo zurück. Selbst nach eingehender Untersuchung kann nicht festgestellt werden, dass das Loch irgendwo endet. So ein bodenloses Loch ist zwar ein bisschen irritierend, aber doch auch unheimlich praktisch, wenn es um die Entsorgung von Müll geht…

Eine etwas unheimliche Begegnung macht ein junger Mann. Denn „Der Mann im Park“, den er kennen lernt, hat keine Vergangenheit und lebt in der Gegenwart nur vor sich hin. Er scheint wie ein leeres Gefäß, das es zu befüllen gilt.

In Senji Kurois „Die Finger“ geht es ebenfalls recht eigentümlich vor: Im Wohnzimmer einer Familie taucht immer wieder ein einzelner Finger auf. Die Familienmitglieder fühlen sich langsam wie verfolgt von den unheimlichen Dingern, die auch gerne mal im Teppich verschwinden. Es wird Zeit, den unliebsamen Besuchern Herr zu werden…

Toshio Moriuchi beschreibt die „Zeit der Zikaden“: Ein Familienvater sinniert über die Vergänglichkeit, über das Älterwerden, über seine erste Liebe und über die männlichen Begierden.

„Der stumme Zeuge" in Kuniko Mukodas Erzählung ist ein Fisch, der plötzlich in Shiomuras Haushalt auftaucht. Jemand hat ihn einfach so in der Küche abgestellt und Shiomuras Sohn freut sich schon darauf, sich dem Fisch anzunehmen. Doch Shiomura ist das gar nicht recht, als er merkt, dass der Fisch das Haustier seiner ehemaligen Geliebten und somit ein stummer Zeuge der Affäre ist.

Phantastisch wird es in Haruki Murakamis „Ein Elefant verschwindet“. Der Ich-Erzähler berichtet über die Aufsehen erregende Geschichte, als ein Elefant samt seinem Pfleger verschwunden, ja geradezu verpufft ist. Was mag da bloß passiert sein?

„Das Sprungbrett“ in Kunio Ogawas Erzählung ist die junge Yuki. Sie soll Komiyama als Stütze dienen, endlich den schon seit langem geplanten Selbstmord auszuführen.

In Mutsumi Okadas Erzählung „Die Brust“ wird der Alltag des Ich-Erzählers und dessen Ehefrau zerrüttet, als der Ehefrau eine Geschwulst aus der Brust entfernt werden soll. Die beiden sind ohnehin nicht ein Herz und eine Seele und die Situation eskaliert, kurz bevor sich die Ehefrau ins Krankenhaus zur Operation begibt.

Harumi Setouchi nimmt in „Verschollen“ Reality-Shows aufs Korn, die verschollene Personen aufspüren und mit ihrer Vergangenheit konfrontieren.

Protagonistin in Yoshiko Shibakis „Purpurberge“ ist die Witwe Yoshiko, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Tochter lebt. Ihr Ehemann ist in der Schweiz unter mysteriösen Umständen gestorben. Als Yoshiko einen Mann kennen lernt, der ebenfalls in der Schweiz gelebt hat, ist dies für die Witwe ein Anknüpfungspunkt für eine neue Beziehung. Endlich schöpft sich Hoffnung, ihrem tristen Leben entkommen zu können.

Sho Shibata schreibt „Szenen einer Stadt“ in zwei Teilen. In Teil eins monologisiert eine Frau Vorwürfe an den Mann, der sie verlassen wird, und redet sich in Rage. In Teil zwei wird eine Geschichte mit drei verschiedenen Enden erzählt, als der junge Takao mit seiner Zufallsbekanntschaft Katze mit dem Motorrad unterwegs ist und von drei Rowdys zum Anhalten gezwungen wird. Die drei haben es auf Katze abgesehen.

Für Ayako Sonos Protagonist Yusuke sieht das „Morgenlicht am Montag“ besonders reizend aus. Er ist Wochenendheimfahrer und kann der bedrückenden Atmosphäre in seiner Familie entfliehen, sobald das Wochenende zu Ende ist.

Nach „Koromoyama“ zur Blütenschau hat es in Ayako Sonos zweiter Geschichte 1941 nur zur Hochzeitsreise gereicht. Jahre später verfolgt das Ehepaar ein Telefongespräch der Tochter, die mit ihrem baldigen Ehemann am Telefon streitet, ob es nun auf Hochzeitsreise nach Hawaii gehen soll oder ob man nach dem Wunsch der Schwiegermutter in Spee in Japan verreisen soll.

„Im Bad“ ihrer Mutter denkt Yuko Tsushimas Ich-Erzählerin an den schon vor Jahren verstorbenen jüngeren Bruder. Auch die Tochter der Ich-Erzählerin wird bald mit einem unerwarteten Tod zu kämpfen haben.

Bibliographische Angaben:
Araki, Tadao/May, Ekkehard (Hrsg.): „Zeit der Zikaden“ (Übersetzungen aus dem Japanischen: Bartels-Wu, Stella/Boudalfa-Paesler, Heike/Doi, Gisela/Duppel-Takayama, Mechthild/Festerling, Annette/Flögel, Thomas/Gräfe, Ursula/Hierling, Regina/Jacoby, Doris/Schlarb, Hans-Michael/Schnellbächer, Thomas/Schönbein, Martina/Strauß, Katrin/Woldering, Guido), Piper, München 1990, ISBN 3-492-11193-9

Montag, 6. Mai 2013

Senji Kuroi

Senji Kuroi gilt als Vertreter der introvertierten, japanischen Autorengeneration. Der Autor wurde 1932 in Tokio geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften. Zunächst schlug er die Karriere eines klassischen Salarymans ein und arbeitete bei Fuji. Diese Erfahrung verarbeitete er später in seinen Werken.

Senji Kuroi gehörte der Gesellschaft für neue japanische Literatur an. 1968 erhielt er vom japanischen Kultusministerium einen Förderpreis für junge Künstler und wurde für den Akutagawa-Literaturpreis nominiert. 1970 widmete er sich schließlich als Vollzeitautor ganz dem Schreiben.

Später erhielt der Autor den Tanizaki-, der Yomiuri- und der Noma-Literaturpreis.

Von 1987 bis 2012 war Senji Kuroi Mitglied der Jury des Akutagawa-Literaturpreises.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:

Sonntag, 5. Mai 2013

Takashi Atoda

Takashi Atoda gilt als einer der bekanntesten japanischen Krimiautoren. Der 1935 geborene Schriftsteller studierte an der Waseda-Universität französische Literatur. Ursprünglich wollte Takashi Atoda Journalist werden. Jedoch wurde ihm im zweiten Studienjahr Tuberkulose attestiert. Zwei Jahre musste er in einem Sanatorium zubringen. Seine Krankheitsgeschichte machte seinen Plan, Journalist zu werden, zunichte. Niemand wollte ihn einstellen. Schließlich fand Takashi Atoda 1961 eine Anstellung in der Bibliothek des Parlaments. Während dieser Zeit begann er, verstärkt Krimis und Science Fiction zu schreiben.

1969 erschien sein Werk „Einführung in den schwarzen Humor“, das ein Bestseller wurde. 1972 kündigte er schließlich seine Anstellung in der Bibliothek, um sich zukünftig dem Schreiben und Übersetzungsarbeiten zu widmen. 1979 erhielt er den Naoki-Literaturpreis für „Napoleonfan“. Takashi Atoda nennt westliche Autoren als Vorbilder (z.B. Henry Slesar und Roald Dahl).

Von 2007 bis 2011 war Takashi Atoda der Vorsitzende des japanischen PEN-Clubs.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Erzählungen/Kurzgeschichten und hier rezensiert:

Samstag, 4. Mai 2013

„Das Casting“ von Ryu Murakami

Es hat mich ungemeint gefreut, dass mit „Das Casting“ endlich wieder ein Ryu Murakami-Roman ins Deutsche übersetzt wurde. Das Werk hält, was man sich vom Autor verspricht:

Aoyama ist Anfang 40, ein etablierter Videofilmproduzent, Vater eines Teenagers und seit einigen Jahren Witwer. Den überraschenden Tod seiner Frau Ryoko hat er zwischenzeitlich endlich überwunden. Es wäre nun durchaus für ihn an der Zeit, sich nach einer neuen Partnerin umzusehen. Doch auf ein klassisches Omiai hat Aoyama wirklich keine Lust. Seine Kontakte zur Filmszene gebären eine Schnapsidee: Wieso sollte man denn nicht ein Casting veranstalten, um zwar vordergründig eine Schauspielerin zu suchen, aber im Grunde genommen nach einer perfekten Heiratskandidatin für Aoyama Ausschau zu halten?

Für Aoyama kristallisiert sich sehr zügig eine Favoritin unter den Bewerberinnen heraus. Es ist die 24-jährige Schönheit Asami, in die sich Aoyama vom Fleck weg verliebt. Aoyama ist noch etwas unbeholfen mit seinen Flirtversuchen, doch es gelingt ihm offensichtlich, schrittweise Asamis Herz für ihn zu erwärmen. Schließlich gesteht sie ihm gar ihre traurige Vergangenheit: Als ungeliebtes Kind wuchs sie auf und musste extreme körperliche und seelische Züchtigungen durchleben. Aoyama glaubt ihr, dass dieses Trauma für Asami nun ausgestanden ist und der Vergangenheit angehört.

Die Warnungen seiner Bekannten schlägt Aoyama in den Wind. Auf andere wirkt Asami eher undurchsichtig und gefährlich, während Aoyama für Asami schon voll und ganz Feuer gefangen hat. Der Leser kann nur hoffen und bangen, dass sich die Befürchtungen von Aoyamas Bekannten nicht bewahrheiten.

Während „Das Casting“ noch recht gemütlich beginnt, werden die letzten Seiten mehr als spannend. Wer die bereits erschienenen Ryu Murakami-Romane kennt, der weiß, dass darin gerne mal ein Psychopath austickt. Diese Erwartungshaltung wird von „Das Casting“ freilich nicht enttäuscht. Ein bisschen fehl leitet jedoch das Cover: Wer eine Schulmädchen-Szene erwartet, dessen Vorstellungen werden sicherlich nicht erfüllt.

Gestört haben mich jedoch die wenigen Sätze, mit denen Asamis Verhalten aus deren Motiven erklärt wird. Dieser Perspektivwechsel kommt etwas arg abrupt und ist eigentlich auch unnötig, da der aufmerksame Leser Asamis Haltung ohnehin erahnen kann.

Da ich selbst kein Japanisch kann, kann ich die deutsche Übersetzung natürlich nicht mit dem Original vergleichen. Jedoch scheinen so manche Stellen in „Das Casting“ noch eine kleine Überarbeitung nötig zu haben. Einige kleine, ausgewählte Beispiele:

„dass die Begegnung zwischen ihnen ein Schicksalsschlag war…“ (S. 66):
Der Begriff „Schicksalsschlag“ ist negativ konnotiert, während der verliebte Protagonist in diesem Fall bestimmt einen „Wink des Schicksals“ oder eine „schicksalhafte Begegnung“ meint. Dass ein Schicksalsschlag folgen mag, ist zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht abzusehen.

„weil du sterblich in sie verliebt bist“ (S. 130):
Wenn ich mich nicht täusche, dann ist man doch unsterblich in jemanden verliebt und nicht sterblich.

„hatte er oft und oft angerufen“ (S. 162):
Damit ist wohl eher „wieder und wieder“ gemeint.

Daran sollte man sich sicherlich nicht allzu sehr stören. Aber vielleicht mag der Verlag für eine eventuelle zweite Auflage ja nochmals den Korrekturstift ansetzen.

Bibliographische Angaben:
Murakami, Ryu: „Das Casting“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Federmair, Leopold & Yajin, Motoko), Septime, Wien 2013, ISBN 978-3-902711-15-1

Freitag, 3. Mai 2013

„Hisako Matsubaras kleine Weltausstellung“ von Hisako Matsubara

Hisako Matsubaras kleine Weltausstellung“ beginnt mit einer liebevollen Hommage an die Bewohner von Osaka. Statt mit „kon nichi wa“ begrüßen sich die umtriebigen Osakaner „moukari makka“; mit einem „na, heute schon was verdient“? Ein bisschen schade finden sie es jedoch, wenn man ihnen den Handel zu einfach macht. Sie winden sich zwar geziert, wenn der Geschäftspartner handeln will, aber im Grunde genommen macht ihnen der Verkauf dann gleich noch mehr Spaß. Der Verdienst wird dann auch möglichst gleich in ein gutes Essen investiert.

Manche der kurzen Kapitelchen in „Hisako Matsubaras kleine Weltausstellung“ erinnern ein bisschen an Texte von Yoko Tawada, wenn die Autorin ihren amüsierten Blick unter anderem auf die Deutschen und Europa richtet. So landet die Studentin Yuki ausgerechnet zur Weiberfastnacht in Köln und muss sich unfreiwillig dem Gefasel eines Taxifahrers aussetzen. Insbesondere ihre Begegnungen mit den deutschen Männern sind frech und sorgen für ein Grinsen beim Lesen.

Doch auch Episoden in Japan werden geschildert: Der deutsche Michel auf der Weltausstellung von Osaka wird von der Autorin bloßgestellt. Junge Japanerinnen begeben sich mit deutschen Touristen in ein Traditionslokal – und schämen sich ob der Manieren ihrer Begleiter. Ein deutscher Redakteur macht seine erste Erfahrung im Umgang mit einer Geisha. Und ein studentischer Schuhbewacher hat’s im Umgang mit ausländischen Gästen faustdick hinter den Ohren.

Mit 130 Seiten im Kleinformat ist „Hisako Matsubaras kleine Weltausstellung“ zwar schnell ausgelesen, aber jede Seite für sich ist ein amüsanter Lesegenuss.

Bibliographische Angaben:
Matsubara, Hisako: „Hisako Matsubaras kleine Weltausstellung – Ein literarischer Pavillon“, R. Piper, München 1970, ISBN 3-492-018351

Donnerstag, 2. Mai 2013

„Made in Japan“ von Akira Kuroda

OMG… Ich habe mich ja schon vor einigen grusligen Büchern gedrückt – die „The Ring“-Serie von Koji Suzuki steht seit mindestens einem Jahr ungelesen im Regal – aber bei Akira Kurodas „Made in Japan“ weiß ich jetzt auch um die Berechtigung meiner bisherigen Verweigerungshaltung gegenüber der Lektüre des Debütromans der japanischen Autorin. Der Inhalt ist äußerst hart, brutal und pervers.

Im ersten Kapitel konfrontiert die Schriftstellerin den Leser mit der Schilderung eines Snuff Movies. In dem aus Deutschland importierten Film werden der sexuelle Missbrauch eines Kindes und die anschließende Tötung des Opfers gezeigt – alles selbstverständlich ungefaked. Dies ist der ultimative Kick für die Teenager Takashi, Shu, Shin und Satoru, die zusammen mit Takashis Vater die brutalen Szenen sehen und sich daran aufgeilen.

Shu erscheint einem noch als der Vernünftigste der Jungen, hat er als Kind doch selbst eine Weile in der Nachbarschaft von Kinder mordenden Psychopathen gewohnt und ist nur knapp einem ähnlichen Schicksal wie dem des blonden Bubs aus dem Snuff Movie entgangen. Satoru ist primär von Drogen angezogen und fungiert als Dealer. Takashis Art ist in jeder Hinsicht brutal und psychopathisch. Shin ist der gelangweilte Schönling unter den Gefährten, die keine wahren Freunde sind. Doch so unterschiedlich die Charaktere sind, die vier Teenager sind dadurch verbunden, dass sie jeweils im Ausland aufgewachsen sind. Sie sprechen Japanisch mit Ausländer-Akzent, können kaum mit komplizierten japanischen Schriftzeichen umgehen und sind damit Drop-Outs.

Das Snuff Video lässt Takashi einen finsteren Plan aushecken, in dem er sich beweisen will: Er will den lebensmüden Shin dazu überreden, sich freiwillig als Mordopfer zur Verfügung zu stellen. Und Shin geht im prompt in die Falle.

Akira Kuroda schildert in „Made in Japan“ eine äußerst blutige Folterung bis Shin schließlich sein Leben aushaucht. Würde dieser Blog nicht existieren, wäre ich spätestens zu Beginn der Tötungsszenerie ausgestiegen. So etwas will man sicherlich nicht freiwillig lesen. Ein bisschen erinnert „Made in Japan“ an Yukio Mishimas „Geständnis einer Maske“ – doch wird in Akira Kurodas Roman die Fantasie in die Tat umgesetzt. Der Täter Takashi und Shu, der via Handy dem Mord unfreiwillig zugeschaltet wurde, scheinen im Anschluss dem Wahnsinn zu verfallen.

Mit viel gutem Willem kann man „Made in Japan“ unterstellen, dass Akira Kuroda Gesellschaftskritik übt, wenn sie beschreibt, wie die entwurzelten jungen Männer völlig durchdrehen. Doch ist es dafür nötig, detailliert zu schildern, wie Shin unter anderem ein Ohr und die Finger abgetrennt werden, seine Beine mit einem Vorschlaghammer zertrümmert werden? Mir hat's dabei jedenfalls den Magen umgedreht...

Bibliographische Angaben:
Kuroda, Akira: „Made in Japan“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Berlin, Martina), Maas Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-929010-90-9

Mittwoch, 1. Mai 2013

Akira Kuroda

Akira Kuroda (Jahrgang 1977/geboren und aufgewachsen in der Präfektur Chiba) studierte an der Meiji Gakuin Universität Kunst, bevor sie nach England an die Universität von Brighton ging. Nach ihrem Studium übte sie unterschiedliche Berufe aus, bevor sie als freiberufliche Autorin tätig wurde.

Im Jahr 2000 erhielt sie für ihren Kurzroman „Made in Japan“, der zuerst unter dem Titel „Du liebst uns“ erschienen war, den 37. Bungei-Literaturpreis. 2003 wurde sie für den Yukio Mishima-Preis nominiert.

Akira Kuroda lebt derzeit in Tokio.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert: