Labels

Donnerstag, 31. Juli 2014

„Kreuz und Schwert“ von Otohiko Kaga

Otohiko Kaga lässt in „Kreuz und Schwert“ primär die letzten Jahre des christlichen Daimyo Justo Ukon Takayama Revue passierten. Die Handlung setzt ein, kurz bevor Takayama im Jahr 1614 in Kanazawa im Zuge des Christenverbots zusammen mit seiner Familie verhaftet und auf den Weg in die Verbannung geschickt wird. Flankiert wird dieser Handlungsstrang durch fiktive Briefe des Missionars Clemente, dessen Lebensweg sich mit dem von Takayama öfters kreuzte. So werden sowohl die Perspektiven von überzeugten japanischen Christen als auch europäischen Missionaren dargestellt. Zudem werden viele geschichtliche Hintergründe und Rückblenden eingeflochten, die einen guten Überblick über die Regierungszeiten von Nobunaga, Hideyoshi und Ieyasu bieten und stark auf die Christenverfolgung in Japan eingehen. Otohiko Kaga verliert sich jedoch passagenweise etwas arg in Details, wenn beispielsweise die Lebensläufe von diversen Missionaren beschrieben.

Otohiko Kaga, der im Alter von 58 Jahren zum katholischen Glauben konvertierte, zeichnet ein sehr idealistisches Bild der Missionierung in Japan. Dass der als so clever beschriebene Takayama nicht realisiert haben mag, dass die katholische Kirche im Zuge der Missionierung auch Machtansprüche erheben wollte und kapitalistische Interessen als Lockmittel nutzte, irritiert etwas. Erst gegen Ende des Buches, als Takayama in Manila im Exil weilt, scheint er zu begreifen, dass der Katholizismus nicht nur Positives bewirkt.

Insbesondere nach der Lektüre von Hisako Matsubaras „Himmelszeichen“ war Otohiko Kagas „Kreuz und Schwert“ interessant zu lesen, da die Romane in der gleichen Zeit, an gleichen Orten, jedoch mit unterschiedlicher Wertung spielen.

Otohiko Kagas Historienroman sei jedoch nur Lesern empfohlen, die nicht vor einer enormen Faktenfülle zurückschrecken. Über vier Seiten ist die biographische Namensliste der wichtigsten handelnden Personen lang. Hinzu kommen 14 Seiten der historischen Zeittafel und drei Japankarten.

Bibliographische Angaben:
Kaga, Otohiko: „Kreuz und Schwert“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Degen, Ralph), be.bra, Berlin 2006, ISBN 978-3-86124-900-9

Montag, 28. Juli 2014

„Patriotismus“ von Yukio Mishima

In Anbetracht von Yukio Mishimas Tod durch Seppuku nach einem misslungenen (Pseudo-)Putschversuch stellen sich einem bei der Lektüre von „Patriotismus“ umso mehr die Nackenhaare auf. Denn auf gewisse Weise nimmt die Erzählung Yukio Mishimas eigenes Schicksal vorweg und sie zeichnet ein Bild vor, wie der Autor sich einen erhabenen Selbstmord aus Lauterkeit und Soldatenehre vorstellt:

Wir schreiben das Jahr 1936, mit dem „2-26-Zwischenfall“ ist ein Putschversuch von konservativen Militärs im Gange. Der Leutnant Shinji Takeyama ist nicht von der Partie – seine Kameraden hatten den verheirateten Soldaten vom Umsturz ausgeschlossen und so trifft es ihn besonders hart, dass der Befehl ergeht, gegen die Freunde militärisch vorzugehen. Shinji Takeyama ist nun zum Äußersten entschlossen – seine Treue gilt den Kameraden und der Aufrichtigkeit und daher bleibt ihm nur der Selbstmord. Seine ihm treu ergebene Ehefrau Reiko geht mit ihm in den Tod, weil sie sich dazu als Soldatenfrau verpflichtet fühlt.

Yukio Mishima zeichnet die letzten Stunden des zum Selbstmord entschlossenen Ehepaars nach. Während draußen tödliche Gefechte toben, ergeben sich Shinji und Reiko ein letztes, rauschendes Mal in den „petite mort“, um sich schließlich selbst zu richten. Insbesondere Shinjis bluttriefendes Ende wird sehr detailliert beschrieben, worauf ich dann doch lieber verzichtet hätte.

Auch die Schilderungen rund um die Shinjis „Erziehungsmaßnahmen“, Reiko den Geist einer gehorsamen Soldatenfrau einzubläuen, die ohne Weiteres ihr Leben drangibt, wirken heutzutage befremdlich bis abstoßend.

Yukio Mishima schildert in „Patriotismus“ den überästhetisierten Heldentod seines Protagonisten, der in einer Blut- und Kotzorgie mündet. Die Epauletten blinken, die Körper der makellosen Liebenden strahlen und die geistige Tadellosigkeit wird hochstilisiert. Von Yukio Mishimas Standpunkt mag das Schicksal des Paares Vorbildcharakter haben – doch wirkt seine Erzählung heutzutage eher wie eine Groteske. Gott sei Dank wie eine Groteske...

Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Patriotismus“ (Übersetzung: Hengst, Ulla & Teichmann, Wulf), Alexander Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-923854-35-8

Sonntag, 27. Juli 2014

„Fünf Geschichten von liebenden Frauen“ von Saikaku Ihara

Saikaku Ihara (in diesem Bändchen „Ibara“ geschrieben) erzählt „Fünf Geschichten von liebenden Frauen“, vier davon enden tragisch, eine darf ein Happy End bekommen.

In „Die Geschichte von Seijuro aus Himeji“ wird von Seijuro berichtet, der als Sohn wohlhabender Eltern mit Geld um sich schmeißt und sich diverse Lustbarkeiten gönnt. Als er zu sehr über die Stränge schlägt und verstoßen wird, findet er eine Anstellung bei einem Händler. Seijuros Aussehen becirct nicht nur die weiblichen Angestellten des Händlers, sondern auch dessen Tochter Onatsu. Doch erst durch eine List Seijuros finden die beiden zusammen.

„Die Geschichte vom verliebten Böttcher“ erzählt von einem Böttcher, der sich durch Vermittlung einer raffinierten Alten die Liebe der hübschen Osen zu sichern weiß. Auf einer Wallfahrt will sich das Paar verbinden. Was die Alte so geschickt eingefädelt hat, wird von einem weiteren Verehrer Osens durcheinander gebracht.

Eigentlich wollte sich Osan in „Die Geschichte vom Kalendermacher“ nur einen derben Scherz mit Moemon, der mit ihrer Zofe Rin ein Stelldichein arrangiert hatte, erlauben. Anstelle von Rin hatte sie geplant, auf den Mann zu warten und ihn zu erschrecken. Sie fällt jedoch in tiefen Schlaf und bemerkt nicht, wie sich Moemon an ihr vergeht. Es bleibt den beiden nur die Flucht. Gibt es einen anderen Ausweg als den doppelten Liebesselbstmord?

Zwei junge Liebende treffen sich in „Die Geschichte vom Krauthändlermädchen, das Liebesgräser bindet“, nachdem ein Feuer in Hongo gewütet hat und viele Menschen obdachlos geworden sind. Oshichi wird jedoch von ihrer Mutter abgeschirmt und verzehrt sich unsäglich nach ihrem Kichisaburo. Sie wird bald zu extremen Mitteln greifen, um ein Wiedersehen zu forcieren.

Die „Geschichte von Gengobei auf dem Liebesberg“ erzählt von Gengobei, der sich ganz der Knabenliebe verschrieben hat. Als sein Geliebter verstirbt, will er Mönch werden; als ein weiterer Geliebter tot aufgefunden wird, wird Genogbei zum Einsiedler. Doch Gengobeis glühende Verehrerin Oman bricht als junger Mann verkleidet auf, Gengobei zu verführen. Findet Gengobei etwa mit Oman das Glück, das ihm bisher verwehrt war?

Ihara Saikakus „Fünf Geschichten von liebenden Frauen“, was im Jahr 1686 erschien, enthält viele moralische Aussprüche wie z.B.

„Nichts ist erbärmlicher, nichts eitler denn der Mensch!“ (S. 122)

Damit übt der Autor Gesellschaftskritik an der Genuss- und Verschwendungssucht seiner Zeit. Als Sittengemälde wirkt das Bändchen wie ein Fenster zum Bürgertum des 17. Jahrhunderts, entbehrt aber auch nicht eine gewisse Komik.

Bibliographische Angaben:
Ihara, Saikaku: „Fünf Geschichten von liebenden Frauen“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Donat, Walter), Wilhelm Heyne Verlag, München 1978, ISBN 3-453-42050-0

Donnerstag, 17. Juli 2014

„Mein Sohn Takiji“ von Ayako Miura

Nichts mag für eine Mutter so schlimm sein, wie ihr geliebtes Kind durch gewaltsamen Tod zu verlieren. Ayako Miura lässt in „Mein Sohn Takiji“ die 88-jährige Sen zu Wort kommen, die das Leben und den Tod ihres Sohnes Takiji Revue passieren lässt. Bei Takiji handelt es sich dabei nicht um eine imaginierte Person, sondern um den Autor der proletarischen Literaturbewegung Takiji Kobayashi, der im Jahr 1933 verhaftet und zu Tode gefoltert wurde. Ayako Miuras „Mein Sohn Takiji“ basiert auf den realen Geschehnissen; der Monolog der Mutter Sen ist freilich ein Produkt von Ayako Miuras literarischer Schaffenskraft: 

Da sitzt Sen im Haus ihrer Tochter Chima und spricht direkt zum Leser. Sie beginnt mit ihrem eigenen Schicksal wie sie in ärmlichsten Verhältnissen aufwächst und als Teenager verheiratet wird. Die Familie der Kobayashis ist ebenfalls verarmt, doch gebildet. Nach dem Tod des ältesten Sohns Takiro zieht die Familie von Otaru nach Hokkaido. Takiji als Zweitgeborener wird dort von seinem Onkel gefördert und kann Wirtschaftswissenschaften studieren. Takiji entwickelt sich zu einem gerechtigkeitsliebenden, fröhlichen jungen Mann, der alles in seiner Macht stehende leistet, seine Familie finanziell zu unterstützen. Er träumt den Traum, die Gesellschaft zu verbessern, hat er doch bereits schon früh die Härten der armen, arbeitenden Bevölkerung erlebt: Seine Eltern begeben sich bei Bauarbeiten in Lebensgefahr, Arbeiter werden schlimmer als Vieh behandelt und junge Mädchen werden in die Prostitution verkauft. Indem Takiji Romane schreibt, will er seinen Beitrag leisten, die Lebensumstände zu verbessern.

Als Takiji nach Tokio geht, beginnen seine Probleme mit der Polizei. Er wird mehrfach verhaftet und geht schließlich in den Untergrund. Als ihn ein Spitzel verrät, wird er erneut verhaftet und schließlich zu Tode gefoltert. Seine Mutter trifft der Verlust besonders hart. Wie kann es einen Gott geben, wenn dieser zulässt, dass ihr Sohn, der die Nächstenliebe verkörpert, auf so schlimme Weise gemartert wird und sein Leben lassen muss. Hier zieht die christliche Autorin Ayako Miura einen Vergleich zu Jesus: War nicht auch Jesus von der Nächstenliebe beseelt, wurde nicht auch er verraten und musste nicht auch er wegen seinen Überzeugungen sterben? Langsam nähert sich Sen dem Christentum an und scheint im Alter endlich ihren Frieden finden zu können.

Indem Ayako Miura Sen frei erzählen lässt, erscheint es dem Leser, als würde man tatsächlich exklusiv von Takiji Kobayashis Mutter dessen Lebensgeschichte erzählt bekommen. Die Erzählweise ist äußerst lebendig, manchmal aber auch sprunghaft. Mit der Zeit wächst einem die alte Dame immer mehr ans Herz. Umso tragischer erlebt der Leser auch das Ende von Takiji Kobayashi mit. Allzu christliche Literatur liegt mir zwar nicht sonderlich, aber Ayako Miura gelingt es in „Mein Sohn Takiji“, die richtige Dosis einzusetzen. Sen ist nicht getauft, aber findet zumindest etwas Trost im christlichen Glauben. Auch wenn das Thema von Ayako Miuras „Mein Sohn Takiji“ schwere Kost ist – der Kurzroman lohnt sich enorm!

Bibliographische Angaben:
Miura, Ayako: „Mein Sohn Takiji“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Bierwirth, Gerhard & Moriwaki, Arno), Iudicium, München 2014, ISBN 978-3-86205-391-9

Mittwoch, 16. Juli 2014

Ayako Miura

Ayako Miura wurde 1922 in Asahikawa auf Hokkaido als Ayako Hotta und fünftes Kind ihrer Eltern geboren. Ihre Großmutter erzählte ihr als Kind oftmals Märchen und mag damit vielleicht den Grundstein für Ayako Miuras Interesse an Literatur gelegt haben. Als Schülerin war sie eine Leseratte und begann im Alter von zehn Jahren bereits mit der Lektüre von Werken, die für Erwachsene geschrieben waren.

1939 schloss Ayako Miura ihr Studium an der Frauenuniversität von Asahikawa ab und wurde Grundschullehrerin. Desillusioniert von ihrer Tätigkeit als Lehrerin kündigte sie im Jahr 1946. Denn hatte sie vor Kriegsende die Schüler noch im Sinne der Kriegspropaganda unterrichtet, sollte sie unter amerikanischer Besatzung gegenteilige Unterrichtsinhalte vermitteln.

Kurz darauf erkrankte Ayako Miura an einer schweren Tuberkulose. Im Sanatorium verfiel sie immer mehr in depressive Stimmungen, löste ihre Verlobung und begann zu rauchen. Ein Selbstmordversuch schlug fehl. Durch ihren Jugendfreund Tadashi Maekawa, der sich um Ayako Miura kümmerte, kam sie in Kontakt mit dem christlichen Glauben.

Im Jahr 1951 ging es mit Ayako Miuras Gesundheit erneut bergab. 1952 wurde eine spinale Tuberkulose diagnostiziert, die sie für mehrere Jahre ans Bett fesselte. Kurze Zeit nach der Diagnose ließ sie sich taufen.

Durch eine christliche Zeitschrift lernte Ayako Miura ihren späteren Ehemann Mitsuyo Miura kennen. Mitsuyo Miura glich dem zwischenzeitlich verstorbenen Tadashi Maekawa. Nach Ayako Miuras Genesung heiratete das Paar.

Ayako Miuras schriftstellerische Karriere begann mit einer Kurzgeschichte, die sie 1961 bei einem Literaturwettbewerb einer Frauenzeitschrift unter dem Pseudonym Ritsuko Hayashida einreichte. 1963 gewann sie den Literaturpreis, der von der Asahi Shimbun ausgeschrieben war. Sie veröffentlichte fortan zahlreiche Werke, die von christlichen Themen geprägt waren.

Ab den 80ern musste Ayako Miura weitere gesundheitliche Rückschläge hinnehmen. Unter anderem musste sie sich einer Krebsoperation unterziehen, ihr wurde Parkinson attestiert und schließlich starb sie im Jahr 1999 nach einem langen Leidensweg an multiplem Organversagen.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Sonntag, 13. Juli 2014

„Die drei Alten“ von Sawako Ariyoshi

Die drei Alten, das sind Matsuko, Komayo und Taki. Der Mann, der sie einst verband, ist längst tot. Takeichi Kozo war Ehemann von Matsuko, Geliebter der ehemaligen Geisha Komayo und Bruder von Taki. Zu Lebzeiten von Takeichi litt Matsuko darunter, dass sie in dessen Leben keinerlei Rolle spielte. Komayo wurde von Kozo verwöhnt, hatte jedoch gehörigen Respekt vor Taki. Nach Kriegsende starb Takeichi plötzlich und bat die drei Frauen, sich doch bitte zu vertragen.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Die drei Frauen richten es sich nach und nach auf Takeichis Grundstück ein, auf dem verschiedene Teehäuser stehen. Matsuko als Ehefrau ist die legitime Erbin der Immobilie. Doch Taki erhebt als Schwester des Verstorbenen ebenfalls Anspruch auf ein Wohnrecht. Insbesondere da sie Takeichi während dem Krieg zeitweilig in ihrem eigenen Haus Unterschlupf gewährte. Und Komayo scheint zunächst nur vorübergehend ein Dach über dem Kopf zu suchen. Will sie doch schließlich ein Restaurant eröffnen und bald auf eigenen Füßen stehen.

Die drei alleinstehenden, in die Jahre gekommenen Damen haben es nicht sonderlich einfach miteinander und allzu bald verhehlen sie ihren Unmut gegenüber den anderen nicht mehr. Doch hatte nicht Takeichi sie gebeten, gut miteinander auszukommen? Sollten die drei Frauen sich nicht besser gegenseitig unterstützen, als die Animositäten aus der Zeit, als Takeichi noch lebte, weiter zu befeuern?

Sawako Ariyoshi erzählt in „Die drei Alten“ ohne Wertung vom Leben der drei Alten. Dennoch lässt sich aus dem Text herauslesen, dass sie mit der alternden Frauengeneration, die nach dem Krieg vor dem Nichts stand, mitfühlt. Während Takeichi sich als Initiator der zwischenmenschlichen Probleme aus dem Leben flüchtet, müssen sich die Damen aufraffen, um im Alter mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen.

Bibliographische Angaben:
Ariyoshi, Sawako: „Die drei Alten“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Wöss, Fleur), Galrev, Berlin 1989, ISBN 3-925230-05-X