Gegen Ryu Murakamis „Blaue Linien auf transparenter Haut“ wirkt „Fear and Loathing in Las Vegas“ wie der Schulausflug von Fünftklässlern. Drogenexzesse, übelste Trips, Gruppensex, Crossdressing, Schlägereien und Selbstmordversuche sind die Zutaten für das literarische Debüt von Ryu Murakami, das in den 70er Jahren spielt. Teilweise wird der 141-seitige Roman so eklig, dass man am liebsten nicht weiter lesen würde. Kein Wunder, dass Ryu Murakami als das Enfant Terrible der japanischen Literaturszene gilt.
Die Jugendlichen rund um den 19-jährigen Protagonisten Ryu sind desillusioniert: Okinawa ist Junkie, hängt so an der Nadel, dass er sich mit einem baldigen Drogentod abfindet. Die Mädchen der Clique würden sich für Geld an jeden GI der nahe gelegenen US-Militärbasis verkaufen. Kei lässt sich als Bondage-Modell ablichten. Yoshiyama schlägt seine Freundin krankenhausreif. Und Ryu lässt sich als Sexspielzeug missbrauchen. Ohnehin schläft jeder mit jedem. Hauptsache, man muss sich keine Spießigkeit vorwerfen lassen.
Wirkliche Freundschaft gibt es nicht zwischen den Teens. Jeder bleibt sich selbst der nächste. Dennoch klingen auch konservative Töne an: Eine feste Beziehung haben, eine Ausbildung machen, einen Lebenssinn außerhalb der permanenten Drogenparty finden sind Wünsche, die gegen Ende des Romans geäußert werden. Doch irgendwie mag man als Leser nicht daran glauben, dass die Jugendlichen noch die Kurve kriegen.
Wie „69“ hat „Blaue Linien auf transparenter Haut“ biographische Züge. Wie groß die Deckungsgleichheit des Protagonisten Ryu mit dem Autor Ryu Murakami lässt sich nur erahnen.
„Blaue Linien auf transparenter Haut“ verbreitet die drückende Stimmung eines schwülen Sommertags. Man erträgt die Handlung kaum, kann aber doch nicht aufhören, zu lesen. Für einen Ryu Murakami-Fan ist „Blaue Linien auf transparenter Haut“ ein Muss. Unter 18 Euro ist das vergriffene Büchlein derzeit jedoch nirgends zu bekommen.
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