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Samstag, 31. März 2012

Taeko Tomioka

Die feministische Autorin Taeko Tomioka (geboren 1935 in Osaka) studierte Anglistik an der Frauenuniversität von Osaka und schloss 1958 mit ihrer Bachelor-Arbeit über die Gedichte von D. H. Lawrence ihr Studium ab. Schon im Alter von 21 Jahren schrieb sie selbst Gedichte, für die sie einige Preise gewann. Nachdem sie von einem Auslandsaufenthalt in den USA zurück nach Japan kam, befand sie das Gedicht als zu eingeschränkt in den Ausdrucksmöglichkeiten. Daher widmete sie sich der Prosa: 1971 debütierte sie mit ihrem ersten Roman. Im selben Jahr wurde eine ihrer Kurzgeschichten für den Akutagawa-Preis nominiert. 1973 gewann sie den Toshiko-Literaturpreis.

Ihre Werke thematisieren oftmals familiäre Beziehungen, aus denen die Protagonisten ausbrechen möchten. Charakteristisch für Taeko Tomioka ist zudem, dass sie mit der japanischen Tradition, die Toten ausführlich zu betrauern, bricht. Ihre Figuren verfolgen die Strategie, dass das Leben weitergeht.

Taeko Tomioka ist jedoch nicht nur Romanautorin und Dichterin. Sie schreibt zudem Drehbücher und Theaterstücke und betätigt sich als Essayistin und Kritikerin. Außerdem arbeitete sie mit Ryuichi Sakamoto zusammen und übersetzte Werke von Gertrude Stein ins Japanische.

Interessante Links:

Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Erzählungen:
  • Familie im Jenseits

Freitag, 30. März 2012

„Die Eiswand“ von Yasushi Inoue

Die Bergsteiger Uozu und Kosaka sind schon seit Schulzeiten ein eingeschworenes Team. Über den Jahreswechsel planen die jungen Männer ein lang ersehntes Projekt: Die Besteigung einer bestimmten Felswand im Hodaka-Gebirge. Doch kurz vor der Erreichung ihres Ziels geschieht das Unglück: Das Nylonseil reißt und Kosaka stürzt ab, in den sicheren Tod. Zurück in Tokio muss sich Uozu diversen Spekulationen stellen: War es technisch überhaupt möglich, dass das Nylonseil, das erst vor kurzem das in Japan bisher gebräuchliche Hanfseil abgelöst hat, reißen konnte? Hat Uozu vielleicht das Seil durchtrennt, um sein eigenes Leben zu retten? Haben die beiden Bergsteiger sich nicht an die korrekte Handhabung des Seils gehalten? Oder hat Kosaka das Seil in selbstmörderischer Absicht etwa selbst abgeschnitten? Da Kosaka unglücklich in die verheiratete Masako verliebt war, wäre ein Grund für einen Selbstmord gegeben gewesen.

Für Uozu führt die Behauptung, das Seil sei gerissen, zudem in beruflicher Hinsicht zu einer unangenehmen Situation: Sein Arbeitgeber ist mit der Herstellerfirma des Seils verquickt und macht Druck. Um die Zuverlässigkeit des Seils unter Beweis zu stellen, wird ausgerechnet Masakos Ehemann beauftragt, mit Kletterseilen zu experimentieren.

Yasushi Inoues „Die Eiswand“ wirkt heutzutage ein bisschen zäh, inkonsistent und vielleicht etwas konstruiert: Die Untersuchung des Seils findet privatfinanziert statt und nicht durch die Polizei, deren Aufgabe dies doch sein sollte. Kosakas Leiche muss erst aufgespürt werden, um die Bruchstelle des Seils untersuchen zu können – dabei hätte Uozu doch die andere Hälfte in seinem Besitz haben können. Und ohnehin wird permanent über das Seil philosophiert.

Gut, dass Uozus Chef Tokiwa als ein so wunderbar verschrobener Charakter dargestellt wird – dadurch hat das Lesen wenigstens doch ein bisschen Spaß gemacht. Denn ansonsten ist „Die Eiswand“ eher ein Roman, der wohl vor allem Freunde des Bergsteigens interessiert.

Donnerstag, 29. März 2012

„Die wahre Geschichte der Geisha“ von Mineko Iwasaki (mit Rande Brown)

Mineko Iwasaki erzählt in „Die wahre Geschichte der Geisha“ von ihrem Weg vom schüchternen Mädchen zur Star-Geisha Kiotos der 60er und 70er Jahre. Sie wird als Masako Tanaka als letztes Kind in eine äußerst kinderreiche Familie geboren, die bereits mehrere Töchter ins Geisha-Haus Iwasaki gegeben hat. Frau Iwasaki sieht in Masako ihre Nachfolgerin und bemüht sich, sowohl die Familie Tanaka als auch Masako selbst zu überzeugen, einer Adoption zuzustimmen. Insbesondere der große Wunsch, tanzen zu lernen, veranlasst Masako, ihre Familie zu verlassen. Aus Masako Togawa wird durch die Adoption Mineko Iwasaki. Daraufhin verfolgt sie eine äußerst erfolgreiche Karriere – sie wird die bestverdienende Geisha Kiotos, trifft nicht nur das japanische Who-is-who, sondern auch internationale Größen wie die Queen, Prinz Charles und Aldo Gucci und fungiert quasi als Aushängeschild für Kiotos Geisha-Häuser. Doch aus Protest an den starren Strukturen und strengen Regeln der Geisha-Kultur beendet sie ihre Aktivität als Geisha im Alter von nur 29 Jahren.

„Die wahre Geschichte der Geisha“ könnte sicherlich ein bisschen geschliffener geschrieben sein. Manchmal reihen sich die Anekdoten etwas planlos aneinander und der rote Faden wird zum Fädchen. Doch wer sich für Geishas interessiert, findet in der Biographie von Mineko Iwasaki interessante Einblicke: Was ist der Unterschied zwischen Maiko und Geiko? Warum haben Geishas nichts mit Prostituierten gemein? Woraus resultiert das Selbstverständnis der Geisha als Künstlerin? Wie verläuft der Alltag in einem Geisha-Haus und an welche Regeln müssen sich die Bewohnerinnen halten? Wie wirken sich die Geisha-Frisuren auf das Haarwachstum aus? uvm. Insofern liefert „Die wahre Geschichte der Geisha“ wertvolle Einsichten in eine geheimnisvolle, japanische Subkultur, ohne zu romantisieren. Denn Mineko Iwasaki kritisiert das Geisha-System stark: Die Ausbildung zur Geisha macht die Frauen nur innerhalb der eigenen Profession unabhängig; Allgemeinwissen wird den Schülerinnen nicht vermittelt und Gelerntes darf nur als Geisha ausgeübt werden. Möchte eine Geisha ihren Beruf beenden, bleibt ihr nur eine Heirat als Option.

Mittwoch, 28. März 2012

Mineko Iwasaki

Mineko Iwasaki wurde 1949 als Masako Tanaka in Kioto geboren. Im Alter von fünf Jahren wurde sie von der Eigentümerin eines Geisha-Hauses adoptiert, um deren Nachfolge anzutreten. Damit schlug sie die Karriere einer Geisha ein, erhielt ihren neuen Namen und wurde in den 60er und 70er Jahren zur Ikone unter den japanischen Geishas. Im Alter von 29 Jahren beendete sie die Betätigung als Geisha. Bald darauf heiratete sie den Künstler Jinichiro Sato, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat.

Mineko Iwasakis Leben als Geisha gilt als Vorlage für Arthur Goldens „Die Geisha“. Nach Veröffentlichung des Buches verklagte Mineko Iwasaki Arthur Golden, da der Autor ihr die versprochene Anonymität nicht gewährleistet und sie unter anderem in mehreren Interviews als Quelle benannt hatte. Die Angelegenheit wurde 2003 außergerichtlich geklärt.

Zudem bemängelte Mineko Iwasaki diverse fälschliche Darstellungen in „Die Geisha“ (z.B. Prostitution der jungfräulichen Maiko beim Mizuage). Um mit den Vorurteilen gegenüber Geishas aufzuräumen, schrieb Mineko Iwasaki zusammen mit Rande Brown „Die wahre Geschichte der Geisha“ nieder.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Dienstag, 27. März 2012

„Der verbrannte Stadtplan“ von Kobo Abe

Kobe Abes „Der verbrannte Stadtplan“ beginnt wie eine klassische Detektivgeschichte: Der private Ermittler und Ich-Erzähler erhält den Auftrag, nach dem vermissten Ehemann von Frau Nemuro zu suchen. Auf dem Weg zu einer Aktenübergabe ist der leitende Angestellte plötzlich spurlos verschwunden. Die Anhaltspunkte sind mehr als spärlich: Dem Detektiv stehen gerade einmal ein Passfoto und eine Streichholzschachtel als Hinweise zur Verfügung.

Weder eine Geliebte noch Probleme in der Arbeit scheinen für ein freiwilliges Verschwinden von Herrn Nemuro zu sprechen. Der Ermittler kann ein Verbrechen nicht mehr ausschließen, spätestens als der zwielichtige Bruder der verlassenen Ehefrau und damit Schwager des Vermissten auf dem Parkett erscheint.

Doch Kobo Abe wäre nicht Kobo Abe, wenn es ihm nur um einen harmlosen Kriminalroman ginge. Erneut ist die Stadt, das Labyrinth der wachsenden Metropole, sein Thema. Die Bewältigungsstrategien in diesem Labyrinth sind von Großstadtbewohner zu Großstadtbewohner unterschiedlich: Die einen bringen den Mut auf, von heute auf morgen zu verschwinden und alles zurück zu lassen. Die anderen scheitern am Ziel, von anderen beachtet zu werden und flüchten in den Selbstmord. Die nächsten igeln sich zu Hause ein und leben in ihrer eigenen Phantasiewelt. Wiederum andere glauben, das System kriminell ausnutzen zu können und werden schließlich Opfer der Gewalt, die sie selbst herausgefordert haben. Und der Ich-Erzähler, der ebenfalls eine verlassene Seele ist, wird mit einer ganz anderen Art des Ausscheidens aus dem Alltag konfrontiert.

„Der verbrannte Stadtplan“ ist weit weniger phantastisch als „Die Känguruhhefte“ und „Der Schachtelmann“, dafür aber sehr viel zugänglicher, ohne auf den Anspruch an den Leser zu verzichten, die Handlung für sich selbst deuten zu müssen.

Freitag, 9. März 2012

„Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden“ von Yoko Tawada

In „Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden“ finden sich Gedichte und – wie es im Klappentext so schön heißt – Traumtexte. Letzteres beschreibt den schmalen Band von etwas mehr als hundert Seiten sehr gut, erschließt sich doch die Bedeutung nur bedingt. „Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden“ unterliegt vielmehr einer eigenen Logik. Yoko Tawada, die Wortakrobatin in der Disziplin der Bildung von Assoziationsketten, entführt in unentdeckte Sinnwelten.

Besonders schön gelingt dies in „Die Orangerie“: Die orange Kleidung der deutschen Müllmänner erinnert die Ich-Erzählerin an ihren Urlaub in Thailand und die orange Farbe der Mönchsgewänder. Dies löst einen ungewöhnlichen Gedankengang über Müll, Schmutz und Geld aus, bis am Ende das Ziel der Orangerie erreicht ist.

Wie vom Konkursbuchverlag gewohnt, ist auch „Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden“ liebevoll gestaltet: Farbige Trennblätter mit Naturmotiven und japanische Texte machen den Band zu einem Liebhaberstück, das freilich nicht für schnelles Durchlesen geeignet ist, sondern den Leser herausfordert, sich der Logik der Autorin zu stellen.

Dienstag, 6. März 2012

„Mord am Amagi-Pass“ von Seicho Matsumoto

Der Band „Mord am Amagi-Pass“ enthält neben der gleichnamigen Erzählung drei weitere des Krimi-Autors Seicho Matsumoto: „Die Tatwaffe“, „Die Nylonschnur“ und „Der Unfall“.

Der Ich-Erzähler und Druckerei-Besitzer erhält den Auftrag, für die Polizei einen Band von ungeklärten Kriminalfällen zu drucken. Beim Blättern im fertigen Buch stößt er auf den mysteriösen „Mord am Amagi-Pass“, der vor dreißig Jahren an einem Arbeiter begangen wurde, und erinnert sich, dass er sich zur fraglichen Tatzeit selbst am Pass befunden hatte. Inwieweit mag sein Schicksal mit dem Unglück verwoben sein?

Der unbeliebte Händler Rokuemon wird erschlagen aufgefunden. Die Kommissare sind recht ratlos, was als „Die Tatwaffe“ in Frage kommen könnte. Und ohne Tatwaffe lässt sich leider kein Mörder überführen…

„Die Nylonschnur“ ist um den Hals des toten Shinto-Priesters Umeda geschlungen, als seine Leiche von spielenden Kindern am Flussufer des Tamagawa aufgefunden wird. Die Ermittlungen der Kriminalbeamten laufen zunächst ins Leere, da die tatverdächtige Ehefrau ein wasserdichtes Alibi aufzuweisen hat. Erst der Angestellte der Lebensversicherung, bei der Umeda hoch versichert war, kann Licht ins Dunkel bringen.

In „Der Unfall“ wird der tragische Tod des Bergsteigers Iwase skizziert: Urahashi, der gemeinsam mit Iwase und Eda auf Bergtour war, schildert für eine Zeitschrift die Umstände, die schließlich zu Iwases Ableben führten. Eda, der die Funktion des Bergführers übernommen hatte, wird nach Abdruck des Artikels von Iwases Verwandten gebeten, einen Cousin an die Unglücksstelle zu führen, damit dieser als Abordnung der Familie richtig Abschied nehmen kann. Doch mag der Unfall nicht etwas verschleiern, was noch im Dunkeln liegt?

Seicho Matsumotos Erzählungen wirken heutzutage recht harmlos und wenig spannend. Viel interessanter ist mehr der Kontext, in den die Handlung eingebettet ist: Serviererinnen, die sich prostituieren; Witwen, die Freiwild für Händler sind und Landeier, die in Tokio um ihr Geld gebracht werden, sind der Stoff, aus dem die Verbrechen der Protagonisten resultieren.

Samstag, 3. März 2012

Seicho Matsumoto

Seicho Matsumoto
Der Krimi-Autor Seicho Matsumoto wurde 1909 als Kiyoharu Matsumoto in Kokura geboren. Da seine Eltern finanziell nicht gut aufgestellt waren, ging Seicho Matsumoto bereits nach Beendigung der Grundschule ab und verdingte sich als Fabrikarbeiter. Als Erwachsener arbeitete er als Redakteur bei der Asahi Shinbun bis der zweite Weltkrieg ausbrach. Einen Großteil der Kriegszeit verbrachte er als Sanitäter in Korea.

Sein kriminalliterarisches Debüt gab Seicho Matsumoto erst im Alter von 40 Jahren, waren Krimis während des zweiten Weltkriegs schließlich als unpatriotistisch verpönt. 1952 erhielt er den Aktuagwa-Preis. Sein erster Krimi-Roman „Punkte und Linien“ war ein Bestseller in den 50er Jahren: Mehr als 1,25 Millionen Exemplare wurden verkauft. Er gilt als einer der am besten verdienenden, japanischen Autoren der 60er Jahre. Bis zu seinem Krebstod im Jahr 1992 veröffentlichte er mehr als 450 Werke.

Seicho Matsumoto führte als erster Autor soziale Kontexte in die japanische Krimiliteratur ein. Neben Krimis schrieb er auch über (Zeit-)Geschichte.

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Ins Deutsche übersetzte Romane/Erzählungen und hier rezensiert: