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Mittwoch, 23. März 2022

„Die Aosawa-Morde“ von Riku Onda

Die Luftfeuchtigkeit in der Stadt K in der Hokuriku-Region kann im Sommer enorm drücken. Die Stürme dort sind auch nicht von schlechten Eltern. An einem solch stürmischen, unangenehmen Sommertag gibt es in der Familie Aosawa ein großes Familienfest, bei dem gleich drei Geburtstage gleichzeitig begangen werden. Die Aosawas sind in K bekannt wie kaum eine andere Familie. Die alteingesessene Arztfamilie betreibt ein Krankenhaus mit einem angeschlossenem Wohnhaus, das durch drei runde Fenster architektonisch besonders heraus sticht.

Insbesondere die blinde, junge Tochter des Hauses namens Hisayo wird wegen ihres Stils und ihrer Kultiviertheit verehrt. Doch auch ansonsten gilt die Familie nicht nur als mustergültig, sondern auch vermögend.

Die Gratulanten geben sich daher an diesem Festtag die Klinke in die Hand. Doch der Tag soll als toxisch in die Geschichte der Stadt K eingehen: Vergiftete Getränke töten fast die gesamte Festgesellschaft. Nur zwei Personen überleben: Die Hausangestellte Kimi, die wegen eines Anrufs nur kurz von ihrem Drink nippen konnte und so eine nicht-tödliche Dosis des Gifts einnahm. Und die ätherische Hisayo.

Obwohl der Fall bald aufgeklärt scheint, hegen einige Personen noch Jahre später Zweifel, ob der psychisch Kranke, der sich durch Selbstmord einer Befragung entzogen hat, wirklich der wahre oder alleinige Täter war.

Da ist z.B. Makiko, die zehn Jahre später ein Buch über die Geschehnisse in ihrem Nachbarhaus schreibt. Ein Ermittler glaubt, der wahre Drahtzieher ist mangels Beweisen nach wie vor auf freiem Fuß. Und eine zunächst noch unsichtbare Person stellt sehr viel später eigene Ermittlungen an.

Riku Ondas „Die Aosawa-Morde“ besticht nebst der Handlung über unterschiedliche Erzählweisen. Die nebulöse Person interviewt unter anderem Makiko als auch weitere Zeugen der Morde. Zeitungsartikel, Briefe, Ich-Erzählung und personale Erzählung gesellen sich dazu. Stück für Stück wird so der geheimnisvolle Schleier, der über den Aosawa-Morden liegt, gelüftet.

Der Roman zieht den Leser durch die drückend-düstere Atmosphäre und die geheimnisvolle Hisayo schnell in den Bann. Was ist die Wahrheit? Gibt es das überhaupt – eine allgemeingültige Wahrheit? Ist sie nicht immer nur die Wahrheit des jeweiligen Betrachters? So darf es auch nicht verwundern, dass „Die Aoswa-Morde“ keine Lösung auf dem Silbertablett bietet. Wer sich daran nicht stört, der lässt sich mit dem ungewöhnlichen Krimi auf ein ganz besonderes Leseabenteuer ein.

Bibliographische Angaben:
Onda, Riku: „Die Aoswa-Morde“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Bartels, Nora), Atrium, Zürich 2022, ISBN 978-3-85535-127-5

Dienstag, 22. März 2022

Riku Onda

Riku Onda wurde 1964 als Nanae Kumagai in Aomori geboren. Ihre Familie zog oft um und daher wuchs sie in den Städten Nagoya, Matsumoto, Toyama, Akita, Sendai und Mito auf. In der Grundschule begeisterte sie sich für Mangas, später trat sie in die Schülerzeitung ein.

1983 begann Riku Onda mit ihrem Studium der japanischen Literatur an der Waseda-Universität. In ihrem zweiten Studienjahr trat sie in den Waseda-Krimi-Club ein.

Nach ihrem Abschluss 1987 trat Riku Onda eine Stelle bei einer Versicherungsgesellschaft an. Nach zwei Jahren wurde sie wegen Überarbeitung ins Krankenhaus eingeliefert. Inspiriert von dem Autor Kenichi Sakemi kündigte sie und begann mit dem Schreiben. 1992 debütierte sie mit ihrem ersten Roman „Das sechste Kind“, der mit dem Japan Fantasy Award prämiert wurde. Danach nahm sie einen Job in einer Immobilienfirma an und schrieb nebenberuflich weiter. 1997 wurde sie Vollzeit-Schriftstellerin.

Viele ihrer Werke wurden verfilmt. Riku Onda erhielt unter anderem den Yoshikawa-, den Yamamoto-und den Naoki-Literaturpreis.

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Montag, 21. März 2022

"Tamons Geschichte" von Seishu Hase

Wer den Film "Amores Perros" von Alejandro González Iñárritu kennt und mag, der wird von den ersten Kapiteln von Seishu Hases "Tamons Geschichte" sicherlich genauso begeistert sein. Auch hier geht es um die Liebe zum Hund: Tamon ist eine Schäferhundmischung und als Ausreißer nach dem Tohoku-Beben in Japan unterwegs. Er macht bei den unterschiedlichsten Personen Halt, die in ihm einen treuen Gefährten entdecken, dem jedoch eine gewisse Getriebenheit inne wohnt.

Tamon verbleibt lange genug bei seinen Interims-Herrchen und -Frauchen, um deren Leben zu verändern, zieht aber irgendwann weiter, um bei jemand anderem Station zu machen. Es drängt ihn Richtung Süden - wen will er dort finden?

Dabei sollte man zumindest in den ersten Kapiteln nicht erwarten, dass der Plot für Zartbesaitete ist. Gegen Ende wendet sich die Handlung jedoch zur Rührseligkeit hin. Die ersten Geschichten sind jedoch turbulent, spannend und geradezu dramatisch. Insofern hat mich der Hunde-Roman nach den ganzen japanischen Katzen-Neuveröffentlichungen mega mitgerissen.

Ein bisschen schade ist es allerdings, dass die Cover-Gestaltung mehr an ein Nachschlagewerk für Jagdhunderassen erinnert als einen packenden Roman und dass noch nicht einmal der Klappentext korrekt ist. Mich hat das Buch allein wegen des drögen Titelbildes zuerst überhaupt nicht angesprochen. Der Roman überzeugt dann aber recht schnell vom Gegenteil.

Bibliographische Angaben:
Hase, Seishu: "Tamons Geschichte" (Übersetzung aus dem Japanischen: Steggewentz, Luise), Hoffmann & Campe, Hamburg 2022, ISBN 978-3-455-01401-3

Sonntag, 20. März 2022

Seishu Hase

Seishu Hase wurde 1965 als Toshihito Bando auf Hokkaido geboren. Nach seinem Oberschulabschluss auf Hokkaido ging er nach Yokohama, um dort zu studieren. 1987 schloss er sein Studium ab.

Zunächst arbeitete er als Redakteur und Spieleautor und publizierte unter dem Namen Riku Kogami Science Fiction-Romane. 1996 veröffentlichte er als Seishu Hase den Roman „Fuyajo“/“Sleepless Town“. Der Krimi, der in Shinjuku spielt und von einem Konflikt mit der chinesischen Mafia handelt, wurde ein Bestseller, für den Naoki-Preis nominiert und zwei Jahre später verfilmt. Sein Pseudonym wählte er in Anlehnung an den Filmemacher Stephen Chow. Die Schriftzeichen dessen Namens (周星馳) ergeben in umgekehrter Reihenfolge im Japanischen Seishu Hase ( 星周).

2020 gewann der Autor den Naoki-Preis für „Tamons Geschichte“.

Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:


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