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Samstag, 4. Juni 2011

„Warten auf die Sonne“ von Hitonari Tsuji

„Warten auf die Sonne“ von Hitonari Tsuji ist ein geradezu magischer Roman, der die Schicksale verschiedenster Menschen zu einem schlüssigen Gesamtkunstwerk bündelt:

Shiro ist Patinierer beim Film. Doch die Dreharbeiten geraten ins Stocken – denn der Regisseur wartet für eine bestimmte Szene auf die optimale Sonne, die sich einfach nicht zeigen will. Währenddessen wird Shiro in die verbrecherischen Machenschaften seines älteren Bruders Jiro hineingezogen. Jiro hat einer gefährlichen Organisation etwas Wichtiges entwendet, wurde dann aber angeschossen und liegt nun im Koma. Der Yakuza Fujisawa heftet sich jetzt an Shiros Fersen – Shiro soll das Diebesgut unter Androhung von Gewalt aufspüren und zurückbringen. Fujisawa ist halb Japaner, halb US-Amerikaner. Seinen Vater konnte er nie kennen lernen, denn der US-Pilot wurde kurz vor dem Abwurf der Atombombe in Hiroshima als Kriegsgefangener eingesperrt. In vollem Wissen über die nahende Katastrophe versucht er, wenigstens eine handvoll Menschen zu retten, wenn schon er selbst dem sicheren Tode geweiht ist. Doch auch der Regisseur Inoue trägt eine traumatische Kriegserfahrung mit sich, die er als sein letztes Vermächtnis verfilmen will.

„Warten auf die Sonne“ ist ein rasanter und spannender Roman über tragische Liebe, Lebenslust, die Macht der Erinnerungen und die Grausamkeiten des Krieges. Hitonari Tsuji verkettet die Protagonisten auf verschiedenen Erzählebenen: Der Ich-Erzähler Shiro präsentiert die Geschehnisse des Jahres 1999. Der Leser erlebt zudem die begrenzte (Alp-)Traumwelt des im Koma liegenden Jiros (ähnlich wie bei Haruki Murakamis „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“). Die Geschichte der letzten Tage des US-Piloten in Hiroshima wird in Form von Tagebucheinträgen dargestellt. Verschiedene Personen berichten häppchenweise das Schicksal des Regisseurs Inoue. Und auch Fujisawas Historie als „Weißer“ in Japan wird erzählt. Viele Geschichten, doch verknüpft sind sie alle durch die Faszination für die Sonne, die das Leben und Sterben der Menschen begleitet.

Meine einzigen kleinen Kritikpunkte: Der Ich-Erzähler und Patinierer Shiro lässt sich zwischendurch etwas zu sehr über seinen Beruf aus. Und die Sex-Szenen kommen ein bisschen arg gestelzt à la "ich umfing ihren Körper" rüber.

Leider ist „Warten auf die Sonne“ hierzulande ein recht unbekannter Roman, der zwischenzeitlich vergriffen ist. Einige Restexemplare des Hardcovers kann man sich derzeit aber noch bei Jokers günstig sichern.

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