Labels

Sonntag, 20. Mai 2012

„Die Glocken von Nagasaki“ von Paul Takashi Nagai

Die unglaublichen Schrecken des Atombombenabwurfs über Nagasaki beschreibt der Zeitzeuge Paul Takashi Nagai mit „Die Glocken von Nagasaki“ mehr als eindringlich. Er selbst war als Mitarbeiter des Universitätskrankenhauses von Nagasaki nur wenige hundert Meter vom Explosionszentrum entfernt. Geschützt in den Räumen der Radiologie entkam er dem Schicksal seiner Kollegen und Studenten, die zum Zeitpunkt des Abwurfs gerade unter freiem Himmel waren und sofort starben. Von einer Minute auf die nächste fanden sich Paul Takashi Nagai und seine überlebenden Kollegen in einer alptraumhaften Szenerie wieder: Die alten Holzhäuser Nagasakis waren zerstoben, alle Bäume entwurzelt und Leichen lagen überall. Was der Explosion noch einigermaßen widerstanden hatte, wurde von der folgenden Feuersbrunst endgültig zerstört.

Paul Takashi Nagai und seine Kollegen konnten sich im Folgenden keine Minute Ruhe gönnen: Es galt, die überlebenden Patienten der Klinik zu evakuieren und mit dem wenigen Material, das sie aus dem brennenden Universitätsklinikum hatten bergen können, die unzähligen Verletzten zu behandeln. Auch in den nächsten Wochen gab es für die Gruppe der Krankenhausmitarbeiter keine Erholung: Sie zogen los, um die in die umliegenden Dörfer geflohenen Verletzten zu behandeln. Doch wie alle Einwohner Nagasakis hatten auch sie selbst an den schwerwiegenden Folgen der atomaren Verstrahlung zu kämpfen. Wer die Explosion überlebt hatte, starb oftmals bald einen grausamen Strahlentod.

Aufgrund seines selbstlosen Einsatzes wurde Paul Takashi Nagai bald als „der Heilige von Urakami“ betitelt. Aufgrund seiner eigenen Verstrahlung war er bald selbst ans Krankenbett gefesselt. Doch trotzdem begann er, seine Erinnerungen an den Atombombenabwurf literarisch festzuhalten, um einen unmittelbaren Einblick in die Schrecken des Atomkrieges zu vermitteln:

„Ich musste ja die Wahrheit niederschreiben, gerade wegen des Schreckens dieser Szenen, gerade weil diese Szenen die überlebende Menschheit quälen und verfolgen würden. Ich hatte einfach die Aufgabe, die Geschichte zu erzählen, die Geschichte von dem, was uns in diesen Abgrund von Elend und Zerstörung gestürzt hatte.

Es ist das wahre Antlitz des Krieges. Diese Ohnmacht, diese Agonie, dieses Leid, das ist das Wesen des Krieges. Atomkrieg ist nicht schön. Es ist auch nichts Gefälliges dran. Er ist so unheimlich kurz und so entsetzlich. Er ist das letzte Wort der Zerstörung. Was übrig bleibt, sind Asche und Gebeine – und sonst nichts.“
(S. 14, „Wie dieses Buch entstand“)

Wahrscheinlich ist „Die Glocken von Nagasaki“ deswegen so eindrücklich und verstörend, da es eben keine fiktionale Geschichte, sondern zeitnah verfasste Erinnerung ist. Durchaus sind die Szenen manchmal so detailliert, dass man mehr als schaudern muss. Trotzdem kann man das Buch nicht aus der Hand legen, bis man es ausgelesen hat.

Nur leider hat Paul Takashi Nagai in einem Punkt leider nicht Recht behalten: Auch der friedlichen Nutzung der Atomkraft im Sinne der Energiegewinnung ist eine unberechenbare, zerstörerische Gefahr immanent.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen