Im Jahr 1998 geht sie auf Pilgerreise zu den 33 Kannon-Tempeln auf der Miura-Halbinsel. Eigentlich hätte sie gerne eine gemeinsame Pilgerreise mit ihrer Freundin Kana, die ebenfalls eine Hibakusha ist, unternommen. Doch Kana ist gewissermaßen verschollen: Zwar hat Kana jeden Sommer unter starken Depressionen zu leiden, die sämtlichen Kontakt zur Außenwelt abbrechen lassen. Doch dieses Jahr liegt auch die Vermutung, sie könne an ihren Strahlenschäden verstorben sein oder Selbstmord begangen haben, nahe.
Die Ich-Erzählerin wird die Kannon-Tempel alleine besuchen, um sich und vielleicht auch Kana von den Geistern der Vergangenheit zu befreien. Wie alle Hibakusha hatte sie sich darauf eingestellt, aufgrund der Strahlenschäden zu sterben. Doch je älter sie wird, desto wahrscheinlicher wird ein Alterstod, dem sie sich auf andere Weise stellen muss. Damit wird ihr gewissermaßen die Existenzberechtigung entzogen:
„Wenn ich selbst als Beweis für die Tatsache der Bestrahlung aus dem Körperinneren stürbe, hätte nicht gerade dann mein Leben als Hibakusha einen Sinn gehabt?“ (S. 90)
Während ihren Ausflügen zu den Tempeln schweift die Protagonistin ab zu den vielen Geschehnissen vom Tag des Bombenabwurfs über Nagasaki und den vielen Einzelschicksalen der Hibakusha: Viele ihrer Mitschülerinnen starben am Tag der Atombombenexplosion, viele weitere an den Strahlenschäden in den Wochen danach. Die Körper der überlebenden Schülerinnen waren oft von Narben übersät und die Köpfe kahl vom Haarausfall. Als Hibakusha diskriminiert gestaltete sich eine Heirat oft schwierig, die am Widerstand der potenziellen Schwiegereltern scheitern konnte. Aus Angst, missgebildete Kinder zu gebären, wurde ein Kinderwunsch unterdrückt. Neben den psychischen Traumata hatten die Hibakusha auch noch Krebsoperationen zu überstehen.
Doch die gewünschte Erlösung durch die Pilgerreise wird der Ich-Erzählerin leider nicht gewährt. Es bleibt eher das Gefühl der völligen Erschöpfung durch ein besonders hartes Schicksal.
Im Jahr 2000 wagt sich die Erzählerin nach Trinity, dem Testgelände der ersten Atombombe der Geschichte. Sie erlebt die wunderbare Atmosphäre, die New Mexico auch auf die Malerin Georgia O’Keefe ausgeübt haben mag. Doch sie muss sich auch im Land der Sieger deren Sichtweise stellen. Denn hier ist der Atombombenwurf ein heroischer Akt und birgt nicht die grauenhaften Erfahrungen der Hibakusha in sich. Die Ich-Erzählerin muss tragischerweise erkennen, dass die Welt nichts gelernt hat und immer noch Atombomben produziert werden. Am liebsten würde sie lauthals immer wieder herausschreien „Die Welt braucht eure Atombombentests nicht!“.
„Verstrahltes Leben“ ist freilich keine einfache Kost, die sich mal so eben schnell durchlesen lässt. Kyoko Hayashi gibt einen hautnahen Einblick in die Geschehnisse vom August 1945 und den Schicksalen der Menschen, die oftmals völlig auf sich allein gestellt ihr Leben irgendwie weiterleben mussten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen