Bücher über Trennungen sind nie sonderlich gemütlich zu lesen und auch alles andere als erbaulich. Doch „Scharlachrot“ von Ineko Sata ist nicht nur eine biographisch gefärbte Geschichte über eine Trennung: Sie ist ein Zeitzeugnis und vermittelt die Probleme von japanischen Frauen auf dem Weg in ein emanzipiertes, selbst bestimmtes und gleichberechtigtes Leben in einer Zeit des Umbruchs. Zudem gibt sie einen Einblick in das Leben der Autoren der proletarischen Literaturbewegung.
Ineko Satas Protagonistin Akiko ist ihr Alter-Ego. Auch die anderen Charaktere haben ihren realen Gegenpart: Hinter Akikos Ehemann Kosuke verbirgt sich Ineko Satas zeitweiliger Ehemann Tsurujiro Kubokawa. Akikos Freundinnen Kishiko und Masae stehen für die Autorinnen Yuriko Miyamoto und Sakae Tsuboi.
In den 30er Jahren sind die Autoren der proletarischen Literaturbewegung politischer Verfolgung ausgesetzt. Akikos Ehemann Kosuke wird für zwei Jahre inhaftiert. Daher obliegt es Akiko, mit Schreiben Geld zu verdienen und ihre Familie über Wasser zu halten. Als Kosuke aus der Haft entlassen wird, hat sich Akiko als Schriftstellerin einen Namen gemacht und er hat den Eindruck, hinter ihrem Schaffen zurück geblieben zu sein. Statt sich kreativ zu befruchten, kämpfen beide künftig in schriftstellerischer Rivalität gegeneinander an. Hinzu kommt Akikos Verunsicherung in ihrer Rolle als Frau: Einerseits verkörpert sie einen bisher ungewöhnlichen, modernen und emanzipierten Frauentyp, der arbeiten geht und ein eigenes Auskommen hat; sprich: sich als gleichberechtigt zum Mann sieht. Andererseits sehnt sie sich nach Kosukes Liebe, was in Kontrast zu ihren Unabhängigkeitsbestrebungen steht. Als Kosuke fremdgeht, hadert sie mit ihrem Schicksal: Wenn sie nicht zu schreiben begonnen hätte, wäre sie vielleicht in ihrer unterwürfigen, klassischen Rolle als Ehefrau aufgegangen und hätte Kosuke nicht in die Arme einer anderen Frau getrieben.
Zudem erhält der Leser einen kleinen Einblick in das Leben der Autoren: Nicht nur Kosuke, sondern auch Akiko als auch deren Freundin Kishiko werden wegen der gesellschaftskritischen Inhalte ihrer Werke inhaftiert. Finanziell hangeln sie sich von Auftrag zu Auftrag. In dem 1936 erschienen Roman „Scharlachrot“ wird aus Angst vor Veröffentlichungsverbot vieles rund um die Probleme der Arbeiter nur angedeutet.
Ineko Satas Roman wirkt zwar etwas zermürbend, aber der direkte Einblick in eine Zeit der Umwälzung des Rollenverständnisses von Frau und Mann ist heutzutage immer noch spannend, wenngleich zur Zeit der Veröffentlichung gar revolutionär.
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