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Montag, 7. Mai 2012

„Der Seemann, der die See verriet“ von Yukio Mishima

Yukio Mishimas Roman „Der Seemann, der die See verriet“ nimmt im Sommer in Yokohamas Hafen seinen Ausgangspunkt: Fusako, Mutter des von der Seefahrt begeisterten 13-jährigen Noboru, trifft auf einer privaten Schiffsbesichtigung zusammen mit ihrem Sohn auf den Offizier Ryuji. Eine schicksalhafte Begegnung: Für Ryuji ist Fusako die ideale Frau, nach der er sich schon seit jeher gesehnt hat. Fusako ist seit mehreren Jahren Witwe und hat Sehnsucht nach einem Mann an ihrer Seite. Noboru wiederum ist (zunächst) angetan von der heldenhaften Atmosphäre, die den äußerst männlich wirkenden Ryuji umgibt. Ryuji und Fusako verleben wenige, besonders leidenschaftlich Stunden, bis Ryujis Frachter wieder in exotische Länder ausläuft.

Im Winter läuft das Schiff erneut in Yokohama ein. Ryuji, der einst Seemann wurde, um sich als Held, als ein ganz besonderer Mensch zu beweisen, realisiert, dass sein Traum von Ehre, Liebe und Tod sich nicht mehr erfüllen wird. Doch in Fusako hat er eine verführerische Frau gefunden und beschließt, das Leben auf See aufzugeben und sie zu ehelichen. Doch die Rechnung ist ohne Noboru gemacht: Der naseweise Jugendliche hat nicht nur ein Loch in der Wand entdeckt, durch das er das Paar beim Sex beobachtet. Er gehört auch einer Bande nihilistischer Gleichaltriger an, die sich als Elite der Gesellschaft fühlen. In den Augen der Teenager sind vor allem Väter die Pest. Noch sind alle Bandenmitglieder unter 14 Jahren und damit nicht strafrechtlich zu belangen – was den Anführer auf die Idee bringt, jetzt sei die Zeit, um noch einmal etwas Ungeheuerliches anzuzetteln…

„Der Seemann, der die See bedient“ kreist um den Wunsch nach Heldentum. Ryuji muss sein Ziel, Heldenhaftes zu vollbringen aufgeben und entschließt sich, ein normales Leben an Land zu führen. Noboru sieht in Ryuji zunächst einen Helden der See. Doch diese idealisierte Vorstellung wird allzu schnell enttäuscht und durch Ryujis permanente Rückkehr an Land völlig zu Nichte gemacht. Noboru und seine Kumpanen sehen sich dagegen als Anti-Helden, die es der armseligen Erwachsenengesellschaft heimzahlen wollen.

Der Roman fesselt vor allem durch Perversionen: Noboru ist nicht nur ein ganz unsympathischer Spanner. Zusammen mit den anderen Bandenangehörigen versucht er, seine Empfindungen abzutöten. Deswegen muss er als Mutprobe ein Kätzchen mit eigenen Händen töten. Der Bandenchef seziert es im Anschluss. Alles widerlich, aber trotzdem muss man weiter lesen.

Insbesondere im ersten Kapitel, das im Sommer spielt, übertreibt es mir Yukio Mishima jedoch ein bisschen mit seinen permanenten Beschreibungen von Licht und Schatten. Keine Szene vergeht, ohne dass der Autor etwas in gleißende Sonne stellt oder dunkle Schatten über etwas anderes werfen lässt. Hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen.

3 Kommentare:

  1. Eine schöne Rezension aber zum letzten Absatz will ich noch hinzufügen das Mishima generell einen sehr ausschweifenden Schreibstil hat wenn es um die Beschreibung seiner Umgebung geht. Ästhetik ist Mishima unglaublich wichtig wie man auch in "Geständnis einer Maske" oft zu lesen bekommt.

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  2. Die Sätze sind aber, von Ausnahmen abgesehen, kurz und "leuchtend".
    Anti-Proust, bei gleicher Sinnlichkeit. Nur damit Leser nicht abgeschreckt werden.
    Das Buch ist genial. (also wirklich genial - nicht so, wie das Wort heute benutzt wird. -
    Kategorie Nabokov, Capote etc. Nicht: Roth, Updike, Grass, Walser etc. Hier verläuft die Grenze aller Grenzen.) Es wirkt nur -oder glücklicherweise- unkompliziert.

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  3. Oh, ich hoffe auch, dass sich niemand durch diese Rezension abgeschreckt fühlt. Ich gebe zu, dass ich mich manchmal auch an Details festbeiße, die mir persönlich nicht gefallen. "Der Seemann, der die See verriet" ist auf jeden Fall mehr als lesenswert. Und ich hoffe, die Rezension macht trotzdem Lust, den Roman zu lesen und sich ein eigenes Urteil zu bilden.

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