„Hinter der Glastür“ an seinem Arbeitsplatz verbringt Soseki Natsume einige Wochen und erholt sich von einem Magenleiden. In dieser Zeit entstehen kleine Prosaskizzen von drei bis vier Seiten Umfang, die vom 13.01. bis 23.02.1915 als tägliche Kolumne in der Asahi Shimbun erschienen. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1916 reflektiert hier der Autor über das Sterben, seine Verwandten, seinen Umgang mit den Menschen und den der Menschen mit ihm.
Der Leser begegnet aber auch seinen Haustieren: Hund Hektor wird seinem Namensgeber aus der griechischen Mythologie so gar nicht gerecht – er ist ein ziemlicher Hasenfuß und wird eines Tages tot in einem Nachbarstümpel aufgefunden. Soseki Natsumes erste Katze, die der Familie zugelaufen kam, wurde gewissermaßen nach der Veröffentlichung von „Ich, der Kater“ zu einer kleinen Berühmtheit.
Soseki Natsume gibt zudem einen Einblick in seine etwas verworrene Kindheit: Als Nachzügler geboren wird er erst zu einer Pflegefamilie gegeben, von einer anderen Familie adoptiert und schließlich von seinen leiblichen Eltern zurückgeholt. Der Junge war erst einmal so verwirrt, dass er seine Eltern Großvater und Großmutter nannte – nicht ungewöhnlich, da seine Mutter mit ihm im Alter von 40 Jahren schwanger wurde.
Interessant sind vor allem auch seine Erfahrungen als bekannter Autor: Ein Zeitschriftenreporter versucht Soseki Natsume für ein Foto partout zum Lächeln zu bringen – und retuschiert schließlich die Bilder des ernsten Intellektuellen. Ein ihm unbekannter Herr terrorisiert ihn mit Wünschen nach Kalligraphien. Seine Vorträge werden (scheinbar) nicht verstanden. Und eine Frau, die eine Liebestragödie hinter sich hat, bittet ihn zunächst, ihr trauriges Schicksal in Romanform zu gießen.
Doch immer wieder kommt er auf den Tod zu sprechen – sind doch schon einige seiner Verwandten, Freunde und Bekannten von ihm gegangen. Und auch er leidet immer wieder an seinen Magenproblemen und wundert sich, warum gerade er noch lebt.
39 Episoden umfasst „Hinter der Glastür“, das leider viel zu schnell ausgelesen ist. Soseki Natsume gewährt einen sehr persönlichen Einblick in seine Vergangenheit und seinen Alltag. Mal ist der Inhalt ernst, mal kann man sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Bibliographische Angaben:
Natsume, Soseki: „Hinter der Glastür“, Angkor Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-936018-80-6
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