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Mittwoch, 13. Juni 2012

„Des Grases Blumen“ von Takehiko Fukunaga

„Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.“

Diese Passage aus dem ersten Petrusbrief stand Pate für Takehiko Fukunagas Roman „Des Grases Blumen“. Bezeichnenderweise verwendete Brahms dieses Bibelzitat auch in „Ein deutsches Requiem“, während Takehiko Fukunaga mit seinem Werk eine Totenfeier für seinen gestorbenen Helden Shiomi ausrichtete:

Der Ich-Erzähler, der ebenso wie der Autor Sanatoriumspatient ist, lernt Shiomi kennen, der sich zu einer geradezu selbstmörderischen Lungenoperation entschließt. Shiomi überlebt den Eingriff nicht. Doch er hinterlässt dem Ich-Erzähler zwei Hefte, in denen er die tragischen Geschichten seiner zwei großen Lieben beschreibt.

Mit 18 verliebt sich Shiomi in seinen Klassenkameraden Fujiki. Doch der fühlt sich nicht wohl, ob der Avancen. Denn Shiomi überhöht das Ideal der Liebe im Platon’schen Sinne und Fujiki ist überfordert mit dem Anspruch, dass die gemeinsame, wahre Liebe ins reine Land der Ideen führt.

Mitte 20 erlebt Shiomi die zweite große Liebe, die ebenfalls enttäuscht wird. Shiomi verliebt sich in Fujikis Schwester Chieko. Zunächst scheint sich das zarte Liebespflänzchen tatsächlich entwickeln zu wollen. Doch Shiomi und Chieko huldigen beide in geradezu extremer Weise unterschiedlichen Göttern: Shiomis Götze ist die eigene Einsamkeit, Chieko verehrt den Gott des Christentums. Eine Versöhnung der Gegensätze scheint unrealisierbar.

Zwar klingt die Thematik sehr düster, doch kurz vor der fatalen Operation erklärt Shiomi

„Die Krankheit ist nicht das Problem! Leben bedeutet etwas vollkommen anderes, mit gesund oder krank hat das nichts zu tun. Es ist eine Art rauschhaftes Gefühl, ein Zustand, bei dem alles in dir – Vernunft, Emotionen, Intellekt, Leidenschaft – brodelt und brennt und jederzeit überquellen kann, das ist Leben!“ (S. 28f.)

… und singt damit ein Loblied auf die ekstatische, kompromisslose Liebe, die eben das Leben ausmacht. Mag sein, dass sich „Des Grases Blumen“ in Japan insbesondere deswegen als Jugendroman besonderer Beliebtheit erfreut.

Doch leider verdorrt das Gras und die Blumen fallen ab – der Tod ist unabwendbar.

„Des Grases Blumen“ würde ich als einen wahren Geheimtipp der japanischen Literatur bezeichnen. Der Roman präsentiert nicht nur tragische Liebesgeschichten, sondern lädt diese auch noch intellektuell auf. Bleibt zu hoffen, dass bald mehr von Takehiko Fukunagas Werke ins Deutsche übersetzt werden.

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