Der weitaus autobiographische Roman „Fremde Familie“ von Nobuo Kojima setzt ein, als es in der Familie Miwa zur Gewohnheit geworden ist, dass der junge US-amerikanische Soldat George im Haushalt ein und aus geht. Der Hausherr Shunsuke steht den einstmaligen Kriegsgegnern positiv gegenüber, insbesondere da er selbst bereits einen Aufenthalt in den USA hinter sich hat. Doch Georges Anwesenheit untergräbt Shunsukes Autorität als Oberhaupt der Familie – insbesondere als Shunsuke durch die Haushälterin erfährt, dass seine Ehefrau Tokiko und George ein Techtelmechtel eingegangen sind.
Und so offenbart sich ein Blick hinter die zerrüttete Ehe von Shunsuke und Tokiko: Tokiko mangelt es an Respekt für ihren Ehemann, von dem sie ein klassisch männliches Verhalten erwünschen würde. Doch Shunsuke wirkt in ihren Augen wie ein Schwächling, der sich hinter seinen Übersetzungsarbeiten versteckt und so gar nicht resolut agiert.
Auf Tokikos Drängen soll die Familie einen Neubeginn in einem neuen Haus im westlichen Stil wagen. Doch Shunsukes Wunsch, im Wohnzimmer einen Sammlungspunkt für die Familienmitglieder zu schaffen, scheitert in dem weitläufigen Gebäude. Und als Tokiko Brustkrebs attestiert wird, kommt ohnehin alles anders als geplant.
„Fremde Familie“ liest schon allein wegen der Themen alles andere als leicht: Krebskrankheit, Selbstzweifel, Respektlosigkeit, Geschlechterrollen, die nicht erfüllt werden können und eine Selbstentblößung des Autors, die geradezu schmerzhaft ist. Doch auch Nobuo Kojimas Schreibstil trägt dazu bei, dass man beim Lesen schlecht vorwärts kommt. Sprecherrollen, die nicht eindeutig zugewiesen werden können, und abrupte Szenenwechsel lassen den Lesefluss immer wieder kurz stocken. Daher müht man sich als Leser mindestens genauso ab wie der arme Shunsuke, der Harmonie sucht und doch immer wieder zurückgeworfen wird.
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