„Frauen in Japan“ lässt zehn japanische Schriftstellerinnen zu Wort kommen, die mit ihren Erzählungen die (sich wandelnde) Frauenrolle in der japanischen Gesellschaft illustrieren.
Taeko Konos Erzählung „Knochenfleisch“ (auch in dem Volk und Welt-Band „Das verhasste Alter“ als „Fleischbröckchen“ erschienen) ist die skurrile Geschichte einer Trennung. Nachdem der Mann die Frau verlassen hat, verliert sie ihren Geschmackssinn. Während der Beziehung hatte sie noch so gerne mit ihrem damaligen Partner geschlemmt. Am liebsten würde sie nun alles verbrennen, das an den Mann erinnert: Seine zurückgelassenen Besitztümer, ihre Wohnung, ja gar sich selbst.
Fumiko Enchi beschreibt in „Das Ehepaar“ die Beziehung des in die Jahre gekommenen Ehepaars Tomimori: Der Ehemann Kaichi ist ein Relikt aus der Meiji-Zeit und hält an dem steifen und lieblos wirkenden Verhalten gegenüber seiner Ehefrau Ikuyo fest – selbst als sie krank wird.
Rie Yoshiyukis „Im Brunnen die Sterne“ zeichnet die Lebenswege zweier ungleicher Zwillingsschwestern: Die Jüngere heiratet aus Liebe und führt ein selbstständiges Leben. Die ältere Schwester Shoko lernt ihren Ehemann über ein Omiai kennen. Die Schwiegermutter zieht bald zu dem Ehepaar und ist die neue Herrin des Hauses. Shoko wird kurz gehalten, bevormundet und bald nicht mehr dieselbe…
Auch Tomoko und Takako aus Taeko Tomiokas „Heirat" sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Tomoko ist eine alte Jungfer, hat im Alter jedoch ein Omiai absolviert und sich entschlossen, doch noch zu heiraten. Takako hatte sich mit einem sehr viel jüngeren Mann verheiratet, der sie jedoch bald wieder verlassen hatte. Dennoch ist sie auf dem Papier immer noch verheiratet. Bricht nun die jahrzehntelange Allianz der Schwestern wegen einem Mann, den Tomoko nur über ein Omiai kennt, auseinander?
Ineko Sata thematisiert in „Ihr eigenes Herz“ ebenfalls ein Omiai. Doch Fumiko hat eigentlich so gar keine Lust auf eine arrangierte Ehe – sie fühlt sich wie eine Ware, die es beim Omiai besonders gut anzupreisen gilt. Auch die Eltern taktieren, ob nicht ein solventerer Ehemann für Fumiko aufzutreiben ist und versuchen, sie an einen anderen zu verkuppeln. Dagegen hat Fumikos Schwester ihren Mann im Studium kennen gelernt und hält nichts von unterwürfigem Verhalten ihrem Partner gegenüber.
Chiyo Unos „Glück“ enthält wie ihr autobiografischer Roman „Die Geschichte einer gewissen Frau“ einige Anhaltspunkte, dass es sich bei der Protagonistin Kazue um die die Autorin selbst handelt. Kazue ist eine glückliche Frau, vor allem deswegen, weil sie sich selbst dafür hält und nicht, weil ihr allzu viel Glück widerfährt. Sie lebt ein unkonventionelles, sogar sprunghaftes Leben, hat viele Partner und hat einen Hang dazu, sich – ebenso wie die Autorin – gerne bei größeren Veränderungen ein neues Haus zu bauen.
Fumiko Enchi ist mit „Ahorn im Winter“ gleich ein zweites Mal in „Frauen in Japan“ vertreten: Die Protagonistin Yoko ist eine Schauspielerin um die 50 Jahre. Eigentlich wollte sie den viel jüngeren Tachibana mit ihrer Nichte verkuppeln – doch wie’s der Teufel will verliebt sie sich selbst in ihn. Ihr etwa gleichaltriger Schauspielerkollege Fujiki hat’s als Mann da schon weit einfacher mit seiner neuen Flamme, die gerade einmal Mitte 20 ist.
„In Versuchung“ ist Takako Takahashis Ich-Erzählerin. Während diese im Shinkansen sitzt, lässt sie ihren Erinnerungen freien Lauf und reflektiert über diverse Männerbekanntschaften, die doch alle auf das Bild „jenes Mannes“ einzahlen.
Die drei Teile von Yuko Tsushimas „Unsere Väter“ werden je von den drei Schwestern einer vaterlosen Familie erzählt. Nach dem Tod der Großmutter ziehen sie zusammen mit der Mutter aus dem altmodischen Haus aus, um in einer Reihenhaussiedlung ihr neues Zuhause zu finden. Doch richtig glücklich werden sie dort nicht. Die Mutter wendet sich dem Christentum – und dem Pater näher zu.
„Kiriko“ trifft in der gleichnamigen Erzählung von Minako Oba auf dem Heiweg den älteren Nachbarn Keiichiro. Es entspannt sich dabei ein Gespräch über das Patriarchat, unterschiedliche Beziehungen zwischen Ehepartnern und Eifersucht.
„Tanzender Ruß“ von Sawako Ariyoshi skizziert ein auf den Kopf gestelltes Familienleben in den 50er Jahren. Der Weltkrieg hat den Vater in seiner beruflichen Karriere so weit zurückgeworfen, dass er den Unterhalt für die vierköpfige Familie nicht mehr allein bestreiten kann. Die Tochter, die bereits 30 Jahre und unverheiratet ist, verdient mit ihrer Arbeit um einiges mehr als der Vater und bestreitet mit ihrem Gehalt einen Löwenanteil der anfallenden Kosten. Deswegen nimmt sie es sich auch heraus, Männerbekanntschaften nachts mit nach Hause zu bringen; meist in betrunkenem Zustand. Der Vater missbilligt dieses Verhalten in höchstem Maße, doch die Tochter begegnet ihm nur mit Verachtung.
„Frauen in Japan“ liefert ein breites Spektrum unterschiedlicher Frauenschicksale innerhalb der sich wandelnden japanischen Gesellschaft. Die Erzählungen variieren sehr stark im Vermögen, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Manche wirken mehr wie Assoziationsketten, andere haben Tagebuchcharakter und wiederum andere verfügen über einen kleinen, aber feinen Spannungsbogen.
Ergänzt werden die Erzählungen einerseits durch das sehr lesenswerte Vorwort von Barbara Yoshida-Krafft über die Geschichte der weiblichen Autorinnen in Japan von der Hofdamenliteratur bis hin zur Moderne. Zudem finden sich im Anhang interessante Biografien der Autorinnen auf je ein bis drei Seiten. „Frauen in Japan" ist übrigens eine Lizenzausgabe des Bandes „Das elfte Haus" vom Iudicium-Verlag mit selben Inhalt.
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