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Mittwoch, 11. April 2012

„Amrita“ von Banana Yoshimoto

Banana Yoshimotos „Amrita“ riecht förmlich nach Sommer, Sonne, Lebensfreude – und nach den kleinen und größeren Rückschlägen, die das Leben leider mit sich bringt. Der mehr als 500-seitige Roman setzt ein, als mit Sakumi gesundheitlich noch alles in Ordnung ist: Sie lebt in ihrer Patchwork-Familie, die aus Mutter (einmal verwitwet und einmal geschieden), ihrem jüngeren Halbbruder Yoshio, ihrer Cousine und einer Freundin ihrer Mutter zusammen. So manchen Rückschlag musste sie schon einstecken: Der Vater starb früh; die Mutter heiratete nochmals und ließ sich jedoch bald schon wieder scheiden. Ihre schöne Schwester Mayu beging Selbstmord. Und nun hat Sakumi auch noch einen Unfall: Sie stürzt eine Treppe hinunter, muss am Kopf operiert werden und verliert partiell das Gedächtnis.

Ohne einem bestimmten Höhepunkt zuzustreben, nimmt Sakumis Leben und das ihrer Familie seinen weiteren Verlauf: Ihr jüngerer Bruder leidet unter seinen mysteriösen, übersinnlichen Kräften. Um den Jungen auf bessere Gedanken zu bringen, unternehmen sie einen Ausflug ans mehr. Dort hat Sakumi nicht nur eine Vision, sondern sie trifft auch Ryuichiro wieder, den ehemaligen Partner ihrer verstorbenen Schwester. Sakumi und Ryuichiro, die sich schon vorher näher gekommen waren, fliegen alsbald zusammen nach Saipan, wo sie Ryuichiros Freunde Kazumi und Saeko besuchen. Auch dieses Pärchen verfügt über übersinnliche Kräfte: Saeko bescherte Sakumi die Vision am Meer und singt für Geister. Kazumi wiederum ahnt Dinge, von denen er nur auf übernatürlichem Wege erfahren haben kann. Die vier genießen die gemeinsame Zeit auf der Insel, bis der nachgekommene Yoshio die Runde komplettiert.

Nach einem Monat auf Saipan fliegen die Halbgeschwister nach Tokio zurück. Schließlich kehrt auch Sakumis Gedächtnis komplett zurück, doch Yoshio leidet weiter unter seinen mysteriösen Visionen. Es reihen sich im Folgenden weitere Episoden aneinander – mehr oder weniger ausgegoren, aber jeweils immer mit einem übersinnlichen Touch.

Daher wirkt „Amrita“ auch nicht wie ein schlüssiger, abgeschlossener Roman. Zwar bleiben die drei wesentlichen Figuren Sakumi, Yoshio und Ryuichiro konstant, aber Nebenhandlungen rund um Sakumis unglücklich verliebte Freundin Eiko oder das übersinnliche Ex-Paar Kishimen und Mesmer lassen keinen stringenten Spannungsbogen zu. Das stör dann nicht, wenn man die Reflektionen der Figuren mag, die permanent um Leben, Verlust und Glück kreisen, wie z.B.:

„Angst bekommt man erst dann, wenn man etwas zu verlieren hat. Aber bedeutet das nicht gerade Glück? Zu wissen, was man hat, den Wert zu kennen?“ (S. 259)

Typische Banana Yoshimoto-Gedankengänge, die manchmal sicherlich etwas stark aufgetragen sind, aber eine warme, herzensgute Atmosphäre verbreiten.

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