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Mittwoch, 4. April 2012

„Das Haus Nire“ von Morio Kita

Knapp 1.000 Seiten hat Morio Kitas „Das Haus Nire“, ein Familienepos, das die Zeit von 1918 bis 1946 umfasst. „Das Haus Nire“, eine Geschichte, die sich insbesondere um die Nire-Privatklinik für Psychiatrie dreht, ist ein drei Teile untergliedert und beschreibt drei Generationen der Familie Nire: Den Auftakt setzt das Familienoberhaupt und Klinikgründer Kiichiro. Kiichiro – kein besonders guter Arzt, aber versiert im Umgang mit Menschen – führt das Krankenhaus zu großer Blüte und versteht es, unter anderem durch Heiratspolitik, den Fortbestand seines Unternehmens zu sichern. Doch wie könnte es anders sein: Nach dem Tod Kiichiros fehlt es an einem Visionär, der die Klinik erfolgreich weiterführen könnte. Kiichiros (Adoptiv-)Söhne sind anders gestrickt als der Vater; die Enkel wirken wie Taugenichtse. Spätestens der zweite Weltkrieg und die damit verbundene Bombardierung Tokios besiegeln das Schicksal der Nire-Klinik.

„Das Haus Nire“ steckt voll biographischer Parallelen zu Morio Kitas familiären Hintergrund. Insbesondere Leser von Mokichi Saitos „Wanzentagebuch“ werden öfters grinsen müssen. Mokichi Saito, Vater von Morio Kita, verfasste neben Tanka auch zahllose Essays, deren Handlungen, Szenerien und Lebensgefühle teilweise eins zu eins übernommen wurden. So begegnet man der Japantante/-großmutter wieder, liest erneut von der einschneidenden Begegnung mit Emil Kraepelin und rekapituliert zusammen mit dem Erzähler die Inflation während der Weimarer Republik und den Hitlerputsch. Dank des Nachworts von Eduard Klopfenstein werden aber auch die Unterschiede zur real existierenden Familie Saito/Kita deutlich.

„Das Haus Nire“ ist stark an die Buddenbrooks angelehnt. Morio Kita, ein ausgesprochener Fan von Thomas Mann, analysierte den Aufbau und die Figuren der Buddenbrooks genauestens, bevor er mit dem Schreiben seines Romans begann.

1.000 Seiten mögen auf den Leser im ersten Moment etwas einschüchternd und vielleicht etwas abschreckend wirken. Aber durch die karikierende, ironische Darstellung der Figuren vergeht wie Lektüre wie im Flug. Da wird Kiichiros Großspurigkeit aufs Korn genommen, sein hypochondrischer Sohn vorgeführt und sein Enkel als ziemlicher Dummkopf dargestellt, dass man sich das Prusten manchmal nicht verkneifen kann. Trotzdem wird nie boshaft über die Figuren hergezogen, sondern vielmehr treffend kommentiert:

„Ins Extrem getrieben, nimmt idiotisches Verhalten nämlich die Aura der Feierlichkeit an.“ (S. 101)

So wird beispielsweise Kiichiros Größenwahn – und warum er damit durchkommt – illustriert. Bei all ihren Fehlern wachsen einem die Figuren des „Das Haus Nire“ durchaus so ans Herz, dass man am liebsten noch von einer vierten Generation lesen würde.

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