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Sonntag, 8. April 2012

„Die Wartejahre“ von Fumiko Enchi

Fumiko Enchis „Die Wartejahre“ porträtiert die traurigen Frauenschicksale der fiktiven Familie Shirakawa während des 19. Jahrhunderts: Yukitomo Shirakawa ist ein entsetzlicher Weiberheld. Damit er sich nicht außerhalb seines Haushaltes herumtreiben muss uns so eventuell seiner politischen Karriere schadet, schickt er ausgerechnet seine Ehefrau Tomo aus, ihm eine geeignete Mätresse zu suchen. Tomo, die sich aufgrund ihres geringen Ausbildungsgrads ausschließlich an ein Wertesystem klammern kann, das absoluten Gehorsam dem Ehemann gegenüber vorsieht, begibt sich in Tokio auf die Suche nach einem jungfräulichen, hübschen Mädchen. In Suga, der Tochter einer verschuldeten Händlerfamilie, wird sie fündig. Gegen einen hohen Geldbetrag und das Versprechen, sich um Suga auch zu kümmern, sobald Yukitomo keinen Gefallen mehr an ihr findet, wird der Teenager den Eltern abgekauft. Suga, die in ihrer Unschuld noch nichts von ihrem weiteren Schicksal ahnt, wird von Herrn Shirakawa mit Schmeicheleien gefügig gemacht. Suga wird auch nicht die einzige Mätresse im Haushalt Shirakawa bleiben. Keine der Frauen wird dort glücklich sein: Tomo, die sich hinter einer Mauer aus Distanziertheit verschanzt, ist nur noch in der Funktion eines Geschäftsführers Teil der Familie. Da sie ihrem Mann den Stammhalter bereits geboren hat, verbringt Yukitomo die Nächte ausschließlich in anderen Betten. Die Mätressen sind wie Sklavinnen gekauft worden. Da sie von Herrn Shirakawa entjungfert worden sind, sind ihre Chancen gleich Null, sich jemals mit einem Mann zu verheiraten, selbst wenn sie Yukitomo aus dem Dienst entlassen würde.

„Die Wartejahre“ sind eine traurige Schilderung der Stellung der Frau in der damaligen japanischen Gesellschaft: Dem Mann sind sämtliche Freiheiten – selbst sexueller Art – erlaubt, während von der Frau absolute Sittsamkeit erwartet wird. Sie ist eine Ware, deren Wert sich an Schönheit und Jungfräulichkeit festmacht.

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