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Samstag, 7. April 2012

„Begegnung mit einem Totenschädel“ von Rohan Koda

„Begegnung mit einem Totenschädel“ und „Die aus Liebe erschaffene Buddhafigur“ sind die bisher einzigen ins Deutsche übersetzten Novellen von Rohan Koda.

In „Begegnung mit einem Totenschädel“ geht der Ich-Erzähler Koda auf eine waghalsige Wanderung über einen schneebedeckten Berg. Als die Nacht hereinbricht und er keinen weiteren Schritt mehr gehen kann, trifft er zum Glück auf eine abgelegene Hütte, die seltsamerweise von einer allein stehenden Schönheit bewohnt wird. Auch wenn nicht schicklich, so bietet die Frau pragmatisch an, Koda könne bei ihr übernachten. Einerseits freut ihn das unerwartete Angebot, doch andererseits hat er die Befürchtung, so einem Fuchsgeist auf den Leim zu gehen – insbesondere da die Frau darauf besteht, gemeinsam in einem Bett zu schlafen. In dieser Nacht erzählt sie von ihrem Schicksal: Von Tod, Liebe, Schuld und einem Fluch, der auf ihrer Familie lastet. Am nächsten Morgen sehen die Dinge im Licht des Tages bereits wieder anders aus…

„Die aus Liebe erschaffene Buddhafigur“ entwickelt sich zunächst wie ein Märchen: Der Holzschnitzer Shuun geht auf Wanderschaft und trifft ein einem kleinen Dorf auf die Blumenverkäuferin Otatsu, die Shuun sofort bezaubert. Der Wirt seiner Unterkunft erzählt ihm mehr von ihr: Ihre Mutter ist gestorben, ihr Vater seit einem Krieg verschollen. Ihr nichtsnutziger Onkel beutet sie aus, während er selbst ihre Einnahmen verprasst. Als Shuun Otatsu in einer Notlage antrifft, kauft er sie von ihrem gierigen Onkel frei. Zunächst denkt er nicht daran, die Schöne zu heiraten. Doch es dauert nicht allzu lange und schon verlieben sich die beiden ineinander. Kurz vor ihrer Hochzeit macht der verschollen geglaubte Vater Otatsus seine Tochter ausfindig. Er ist zwischenzeitlich in den Rang eines Grafen aufgestiegen. Damit erhält seine Tochter Otatsu den Titel einer Comtesse. Doch leider endet hier das Märchen: Sie leben eben nicht glücklich, bis sie gestorben sind – die Verbindung zu Shuun ist vielmehr nun nicht mehr standesgemäß. Otatsu verlobt sich mit einem Adeligen. In seinem Elend voll Liebeskummer beginnt der talentierte Holzschnitzer Shuun die Arbeit an einer Kannon-Figur, die Otatsus Aussehen gleicht.

Dank des Nachworts von Diana Donath wird der Leser auf zwei interessante Aspekte von „Begegnung mit einem Totenschädel“ hingewiesen: Die Novelle entstand, nachdem der Autor sich selbst fluchtartig über die Berge nach Tokio begeben hat, um seiner Anstellung als Telegraph zu entfliehen. Zudem wird gleich zu Beginn erklärt, warum der Autor den Vornamen Rohan (= der Gefährte des Taus) gewählt hat: Während seines Fußmarsches schlief er natürlich draußen, auf einem mit Tau bedeckten Graskopfkissen.

Rohan Koda, ein Vertreter des romantischen Mystizismus, kommt dem Leser heutzutage freilich ziemlich verklärt vor: Die Themen Schönheit, Liebe und Schuld werden sehr theatralisch beschrieben, mit Lebensweisheiten wird nicht gegeizt.

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