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Samstag, 3. September 2011

„Mandala der Lüste“ von Kenji Nakagami

Zugegeben: Der Titel „Mandala der Lüste“ klingt sehr nach Softporno. Zwar sind Sex-Szenen in Kenji Nakagamis Roman durchaus vorhanden, aber sie sind eher deftig als soft (gleichgeschlechtlich, blutig und gefesselt). Der japanische Originaltitel würde ins Deutsche übersetzt „Ekstasen aus tausend Jahren“ lauten. Doch auch dies scheint mir ein bisschen zu kurz gegriffen, da die alte Hebamme O-Ryu aus dem Leben von sechs Männern der Nakatomo-Sippe erzählt. Freilich gehört dazu auch deren Sexualität – aber eben nicht nur.

Die Nakamotos leben wie O-Ryu im Kiez, im Buraku, im Ghetto von Shingu. Glaubt man den Gerüchten, so fließt in ihren Adern verrottetes Adelsblut. Sie sind faul, neigen zu Gewalttaten und sind aufgrund ihres guten Aussehens bei den Frauen mehr als beliebt. Da gibt es zum einen den besonders schönen Hanzo, der sowohl Frauen als auch Männer betört. Myoshi, der sich Pervitin spritzt, wird durch den Drogenkonsum bald blind. Fumihiko sieht schon als Kind Tengu-Kobolde – hat er sich mit der Auswahl seiner Geliebten vielleicht sogar einen ins Haus geholt? Yasu der Orientale will nach Südamerika auswandern und macht sich dabei gehörig Feinde. Shinichiro ist der geschickteste Einbrecher, der durch seine Weibergeschichten aber enttarnt wird. Und dann gibt es noch Tatsuo, der in einem jungen Ainu einen Verbündeten findet. Leider teilen alle männlichen Nakamotos, wie die alte O-Ryu weiß, jedoch das Schicksal des allzu frühen Todes.

Kenji Nakagami zeichnet ein aufregendes Bild des Burakus, das unter anderem von Ganoven, Tagelöhnern und Prostituierten bevölkert ist. Denn den Ausgestoßenen ist ein enormes Selbstbewusstsein gegeben; ein Stolz, zu tun und zu lassen zu können, was man will. Der Schreibstil wirkt etwas altbacken, was jedoch hervorragend zur Erzählerin, der alten O-Ryu, passt. Als diese im Sterben liegt, setzt die Modernisierung im Japan der Nachkriegsjahre ein; die tausend Jahre vormoderne Buraku-Geschichte, die O-Ryu in ihrem Gedächtnis eingespeichert hatte, neigen sich damit dem Ende zu.

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