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Montag, 12. September 2011

„Das Gesicht des Anderen“ von Kobo Abe

Bei einem wissenschaftlichen Experiment wird der Ich-Erzähler so im Gesicht verletzt, dass er hässliche Narben davonträgt, die er fortan unter einem Verband verbirgt. Seine Ehefrau begegnet ihm nurmehr mit Mitleid; Fremde haben Angst vor ihm und sehen beschämt an ihm vorbei. Als Wissenschaftler stellt er nun allerlei Nachforschungen an – wie kann er sich eine täuschend echte Maske herstellen und in dieser Verkleidung seine Frau verführen, die sich von ihm entfremdet hat. In einem Brief und drei Notizbüchern hält der Protagonist seine Gedankengänge fest, um sich seiner Frau schließlich plausibel zu machen.

Im Grunde genommen sind die Zutaten für „Das Gesicht des Anderen“ sehr spannend und könnten für kurzweiliges Lesevergnügen sorgen – wenn da nicht Kobo Abes Erzählstil wäre. Auf den ersten fünfzig Seiten passiert erst einmal nicht viel außer den Gedankengängen des Wissenschaftlers über die faktische Realisierbarkeit einer Maske, die nicht von einem natürlichen Gesicht zu unterscheiden ist. Dazu kommen zudem noch eingehende Reflexionen über die Rolle eines Gesichts in der Kommunikation und in sozialen Beziehungen, über die Macht einer Maskierung und der Wechselwirkung zwischen Maskencharakter und realer Persönlichkeit bis hin zu einer Zukunftsvision einer Gesellschaft von Maskenträgern. Insofern ist das Thema höchst soziologisch und sehr interessant.

Daher ist „Das Gesicht des Anderen“ alles andere als leichtverdaulich, was neben der kaum existenten Handlung auch noch an der etwas sperrigen Sprache liegt. Aber gerade durch die mannigfaltigen Überlegungen des Protagonisten gelingt Kobo Abe eine hervorragende Gesellschaftsanalyse der Mikro-Ebene. Wer soziologische Betrachtungen liebt, der wird seine Freude an „Das Gesicht des Anderen“ haben.

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