„Requiem“ (auch veröffentlicht als „Die verdunkelte Sonne – Ein Requiem“) ist mal echt harter Tobak: Zusammen mit der 16-jährigen Setsuko erlebt der Leser die letzten Kriegsmonate – und vor allem das Sterben um sie herum. Einer nach dem anderen stirbt in ihrem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis. Egal in welcher Lebenssituation – niemand kann sich schützen. Da sind die Soldaten an der Front; die Hausfrauen, die beim Anstehen um Lebensmittel von Kampfflugzeugen beschossen werden; Pendler in Zügen, die bombardiert werden; Schüler, die den Weg in den Luftschutzbunker nicht überleben; inhaftierte Oppositionelle, die unter den schlechten Haftbedingungen den Tod finden und schließlich jene, wie Setsuko selbst, die nach der Kapitulation gesundheitlich so angegriffen sind, dass sie in den ersten Tagen des Friedens sterben müssen.
Zentral in „Requiem“ ist die Freundschaft der 16-jährigen Setsuko und der zwei Jahre jüngeren Naomi. Die beiden sehen sich selten, seit sie in unterschiedlichen Rüstungsbetrieben arbeiten. Doch sie führen Korrespondenz über ein Notizbuch, das sie bei den seltenen Treffen hin- und herreichen.
Unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein: Setsuko gilt als eine vorbildliche junge Japanerin, die sich voll für den japanischen Kriegsruhm einsetzt. Naomi ist in einer westlich-orientierten Familie aufgewachsen. Ihr Vater wurde als Verräter denunziert und weggesperrt. Zwar will sie sich kurzzeitig an die patriotische Setsuko anpassen, doch die Einstellungen der beiden sind zu verschieden, dass die Freundschaft leidet.
Die Autorin und überzeugte Pazifistin Shizuko Go wurde für ihren unausgegorenen Erzählstil von „Requiem“ kritisiert. Doch gerade dieser Stil war für mich sehr plastisch: Der Erzählfluss wird mit Rückblenden durchbrochen; Briefe, Postkarten, Liedtexte und die Einträge im gemeinsamen Notizbuch von Setsuko und Naomi werden zitiert.
Der autobiographisch angehauchte Roman von Shizuko Go ist sehr zu unrecht kaum bekannt. Der Krieg, das permanente Leid, das Abstumpfen der Gefühle und schließlich der Wunsch doch auch selbst endlich aus dem Leben zu scheiden, weil fast niemand sonst noch übrig ist, werden so erschütternd beschrieben, dass die eigenen Alltagsproblemchen auf mikroskopisch kleine Größe schwinden.
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