Navidad ist eine fiktive Inselgruppe im Pazifik, bestehend aus den drei Hauptinseln Gaspar, Melchor und Baltasar. „Entdeckt“ wurde Navidad am 25. Dezember 1645 vom Spanier Baltasar Halan de Valencia – was läge da näher, die Inselgruppe Navidad und die einzelnen Inseln nach den heiligen drei Königen zu nennen. Dass Navidad schon vorher einen Namen hatte, nämlich Galagilagula (= Lärm erfüllte Insel), stört den Weltentdecker wenig, geht es doch darum, Kolonien zu erobern.
So beginnt Navidads Schicksal als Spielball zwischen den Großmächten: Nach den Spaniern kommen die Deutschen, nach den Deutschen die Japaner, nach den Japanern die US-Amerikaner. Nach Jahren der Fremdherrschaft erhält Navidad endlich seine Unabhängigkeit – doch Präsident Macias Guili muss dennoch mit einer Großmacht paktieren, um das Land vorwärts zu bringen. Er wählt die Japaner, die ihm den lukrativen Vorschlag unterbreiten, ein Erdöllager in Form von Öltankern an einem malerischen Riff vor Baltasar einrichten zu wollen. Doch auch eine weitere Affäre, die mit Japan zusammenhängt, beschäftigt den Präsidenten: Just als ein japanisches Komitee zur Befriedung der soldatischen Totenseelen zu Besuch kommen will, wird die Hauptstadt mit seltsamen Plakaten tapeziert, ein japanisches Tempeltor wird mutwillig zerstört und als die japanische Fahne zur Begrüßung der Gruppe gehisst werden soll, geht die Flagge in Flammen auf.
Um das Desaster noch zu toppen, verschwindet der Touristenbus, der die japanischen Herren kutschieren soll, samt den Insassen spurlos. Nur verrückte Gerüchte machen sich breit, wo der Bus wohl überall gesichtet sein soll: Hat er sich mit auf die Fotos eines Bikinimoden-Shootings geschmuggelt? Ging er auf Tauchgang? Ist ein Sternbild aus ihm geworden? Alles scheint möglich, denn Navidad und insbesondere die Insel Melchor stehen für phantastisch-spirituelle Erlebnisse, die ganz natürlich einen Platz im Alltag der Menschen haben. Daher ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass der Präsident den Geist Lee Boo beschwört und sich eine Wahrsagerin ins Haus holt, der lila Schmetterlinge auf Schritt und Tritt zu folgen scheinen.
Nichtsdestotrotz ist Natsuki Ikezawas Roman „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ auch eine bissige Persiflage auf Kolonialisierung, Kapitalismus und Globalisierung. Angereichert mit phantastischen Elementen spannt der Autor einen farbenfrohen Südseetraum auf, der trotz der über 500 Seiten nie langweilig wird. Die außergewöhnlichen Charaktere tun ein Übriges, um völlig in den Roman eintauchen zu können.
Wer hätte gedacht, dass es so etwas wie einen poetischen Politroman gibt? „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ ist jedenfalls ganz großes Kino. Chapeau!
Bibliographische Angaben:
Ikezawa, Natsuki: „Aufstieg und Fall des Macias Guili“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), bebra, Berlin 2002, ISBN 3-86124-540-X
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