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Donnerstag, 30. Mai 2013

„Der Tempel der Morgendämmerung“ von Yukio Mishima

„Der Tempel der Morgendämmerung“, der dritte Teil von Yukio Mishimas Tetralogie „Meer der Fruchtbarkeit“ nach „Schnee im Frühling“ und „Unter dem Sturmgott“ hat mich bisher am wenigsten mitgerissen, vielleicht sogar richtiggehend enttäuscht. Die Story wirkt entsetzlich konstruiert, teilweise nur irgendwie zusammen geschustert. Die Entwicklung des Protagonisten Honda im zweiten Teil des Buches ist kaum nachzuvollziehen, genauso wenig wie seine Motivationen im ersten Teil.

Yukio Mishimas Roman beginnt im Jahr 1940, als Honda in Bangkok weilt. Hier erfährt er von der siebenjährigen Prinzessin Ying Chan, die steif und fest behauptet, in ihrem früheren Leben ein Japaner gewesen zu sein, weswegen man sie für verrückt hält. Hondas Interesse ist jedoch geweckt und er erhält dank seiner ehemaligen Beziehungen zum thailändischen Hof eine Audienz bei der Prinzessin. Sie scheint Honda direkt wieder zu erkennen, kann auf Hondas Fragen zum Leben von Kiyoaki und Isao korrekt antworten. Nur leider scheint Ying Chan nicht über dieselben Leberflecke wie Kiyoaki und Isao zu verfügen.

Bis zu diesem Teil der Geschichte kann man den Motivationen Hondas noch folgen, aber der Herr scheint noch nicht einmal überrascht von dieser Entdeckung zu sein, noch wird seine Neugier entfacht. Er nimmt diese Entwicklungen einfach so hin wie die Wettervorhersage. Kurz darauf bricht er auf eine Reise nach Indien auf, auf die in geradezu lästiger Weise später rekurriert wird. Zurück in Japan beginnt Honda mit seinen theoretischen Studien zur Wiedergeburt, die in „Der Tempel der Morgendämmerung“ ziemlich ausgewalzt werden und streckenweise langweilen.

Im Jahr 1952 setzt die Handlung des zweiten Teils ein: Honda ist zu großem Vermögen gekommen und Ying Chan kommt zum Studium nach Tokio. Der Vernunftsmensch Honda hat sich aus irgendwelchen Gründen zum Spanner entwickelt. Deswegen hat er auf seinem Landsitz auch ein Guckloch von seinem Arbeitszimmer ins nebenan liegende Gästezimmer installieren lassen. Er verkehrt mit Dichterinnen und Intellektuellen, hat sich von seiner Ehefrau Rie aber entfremdet. Er beginnt eine Intrige um Ying Chan zu spinnen: Er möchte herausfinden, ob sie dieselben Leberflecke wie Kiyoaki und Isao hat. Er beginnt zudem, sich in die schöne Exotin zu verlieben. Und obwohl sowohl die Liebe als auch die Neugier um die Leberflecke ein leidenschaftliches Unterfangen sein sollten, erscheint Honda dabei kalt. Dadurch wirkt die Handlung des zweiten Buches unzugänglich und die Lektüre macht gelinde gesagt so überhaupt keinen Spaß. Das fade Ende krönt die ohnehin nicht gerade spannende Handlung. Wäre Ying Chan wie Kiyoaki in „Schnee im Frühling“ und Isao in „Unter dem Sturmgott“ in den Fokus gerückt worden, wäre dies dem Roman sicherlich zu Gute gekommen. Statt dessen avanciert Honda zum langweiligen Protagonisten.

Bleibt nur zu hoffen, dass der vierte und letzte Teil „Die Todesmale des Engels“ nicht genauso ermüdend ist wie „Der Tempel der Morgendämmerung“.

Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Der Tempel der Morgendämmerung“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt, Siegfried), Hanser, München/Wien 1987, ISBN 3-446-14614-8

1 Kommentar:

  1. Ich fand "Kinkakuji", den ich als "Le Pavillon d'Or" in einer exzellenten französischen Übersetzung gelesen habe, den besten japanischen Roman überhaupt, bis Murakamis "Mr. Aufziehvogel" den Pokal übernahm. Mir wird schon schlecht, wenn ich sehe, was die Nasen von der Titelredaktion bei Goldmann da wieder angestellt haben: "Der Tempelbrand" ist ist ein wirklich dämlicher Titel, wenn dahinter eines der bekanntesten, schönsten und mysteriösesten Bauwerke der Welt steht.

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