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Donnerstag, 9. Mai 2013

„Zeit der Zikaden“ herausgegeben von Tadao Araki & Ekkehard May

„Die hier vorgestellten Autoren sind im deutschen Sprachraum noch so gut wie unbekannt“ (S. 13), sagen die beiden Herausgeber Tadao Araki und Ekkehard May im Vorwort der 1990 erschienen Anthologie „Zeit der Zikaden“. 2013 hat sich daran mit einer Ausnahme, die da Haruki Murakami bildet, fast nichts geändert. Von einigen wenigen wie Yoshikichi Furui, Sho Shibata und Yuko Tsushima liegen nun zwar zwischenzeitlich einige wenige Veröffentlichungen auf Deutsch vor, was die Autoren aber nicht zwangsläufig bekannter gemacht hat. „Zeit der Zikaden“ bietet damit auch mehr als zwanzig Jahre später noch immer eine interessante Auswahl an japanischen Autoren und einen interessanten Einblick in die japanische Literatur.

Takashi Atoda ist mit zwei Kurzgeschichten vertreten. In „Tod eines Angestellten“ steht Matsumoto auf dem Hochhaus, in dem sich sein Büro befindet. Der Abschiedsbrief ist geschrieben, die Schuhe sind ausgezogen, Matsumoto ist bereit zu springen. In seinen letzten Momenten reflektiert er die Geschehnisse, die ihn in den Selbstmord getrieben haben.

Eine „Zigeunerprophezeiung“ vernimmt Harada in einer Bar in Shinjuku. Eine Frau liest die Zukunft, die zwar so eintreffen wird, aber doch etwas anders ausfällt als vermutet.

Um eine Männerfreundschaft geht es in Yoshikichi Furuis „Das Tal“. Koike, Nakamura und der Ich-Erzähler verbindet die Passion fürs Bergsteigen. Als Koike nach schwerer Krankheit stirbt, machen sich Nakamura und der Ich-Erzähler zu zweit auf den Weg in die Berge. Da war eine Geschichte aus ihrer Jugend, die Koike ziemlich verstört hatte, als er damals in das Antlitz des Todes gesehen hatte.

Auch Shinichi Hoshi ist zweifach in „Zeit der Zikaden“ vertreten. „He, komm raus!“ ruft ein Mann in Loch, das sich nach einem großen Sturm im Boden aufgetan hat und das man für einen Fuchsbau halten könnte. Doch es kommt kein Echo zurück. Selbst nach eingehender Untersuchung kann nicht festgestellt werden, dass das Loch irgendwo endet. So ein bodenloses Loch ist zwar ein bisschen irritierend, aber doch auch unheimlich praktisch, wenn es um die Entsorgung von Müll geht…

Eine etwas unheimliche Begegnung macht ein junger Mann. Denn „Der Mann im Park“, den er kennen lernt, hat keine Vergangenheit und lebt in der Gegenwart nur vor sich hin. Er scheint wie ein leeres Gefäß, das es zu befüllen gilt.

In Senji Kurois „Die Finger“ geht es ebenfalls recht eigentümlich vor: Im Wohnzimmer einer Familie taucht immer wieder ein einzelner Finger auf. Die Familienmitglieder fühlen sich langsam wie verfolgt von den unheimlichen Dingern, die auch gerne mal im Teppich verschwinden. Es wird Zeit, den unliebsamen Besuchern Herr zu werden…

Toshio Moriuchi beschreibt die „Zeit der Zikaden“: Ein Familienvater sinniert über die Vergänglichkeit, über das Älterwerden, über seine erste Liebe und über die männlichen Begierden.

„Der stumme Zeuge" in Kuniko Mukodas Erzählung ist ein Fisch, der plötzlich in Shiomuras Haushalt auftaucht. Jemand hat ihn einfach so in der Küche abgestellt und Shiomuras Sohn freut sich schon darauf, sich dem Fisch anzunehmen. Doch Shiomura ist das gar nicht recht, als er merkt, dass der Fisch das Haustier seiner ehemaligen Geliebten und somit ein stummer Zeuge der Affäre ist.

Phantastisch wird es in Haruki Murakamis „Ein Elefant verschwindet“. Der Ich-Erzähler berichtet über die Aufsehen erregende Geschichte, als ein Elefant samt seinem Pfleger verschwunden, ja geradezu verpufft ist. Was mag da bloß passiert sein?

„Das Sprungbrett“ in Kunio Ogawas Erzählung ist die junge Yuki. Sie soll Komiyama als Stütze dienen, endlich den schon seit langem geplanten Selbstmord auszuführen.

In Mutsumi Okadas Erzählung „Die Brust“ wird der Alltag des Ich-Erzählers und dessen Ehefrau zerrüttet, als der Ehefrau eine Geschwulst aus der Brust entfernt werden soll. Die beiden sind ohnehin nicht ein Herz und eine Seele und die Situation eskaliert, kurz bevor sich die Ehefrau ins Krankenhaus zur Operation begibt.

Harumi Setouchi nimmt in „Verschollen“ Reality-Shows aufs Korn, die verschollene Personen aufspüren und mit ihrer Vergangenheit konfrontieren.

Protagonistin in Yoshiko Shibakis „Purpurberge“ ist die Witwe Yoshiko, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Tochter lebt. Ihr Ehemann ist in der Schweiz unter mysteriösen Umständen gestorben. Als Yoshiko einen Mann kennen lernt, der ebenfalls in der Schweiz gelebt hat, ist dies für die Witwe ein Anknüpfungspunkt für eine neue Beziehung. Endlich schöpft sich Hoffnung, ihrem tristen Leben entkommen zu können.

Sho Shibata schreibt „Szenen einer Stadt“ in zwei Teilen. In Teil eins monologisiert eine Frau Vorwürfe an den Mann, der sie verlassen wird, und redet sich in Rage. In Teil zwei wird eine Geschichte mit drei verschiedenen Enden erzählt, als der junge Takao mit seiner Zufallsbekanntschaft Katze mit dem Motorrad unterwegs ist und von drei Rowdys zum Anhalten gezwungen wird. Die drei haben es auf Katze abgesehen.

Für Ayako Sonos Protagonist Yusuke sieht das „Morgenlicht am Montag“ besonders reizend aus. Er ist Wochenendheimfahrer und kann der bedrückenden Atmosphäre in seiner Familie entfliehen, sobald das Wochenende zu Ende ist.

Nach „Koromoyama“ zur Blütenschau hat es in Ayako Sonos zweiter Geschichte 1941 nur zur Hochzeitsreise gereicht. Jahre später verfolgt das Ehepaar ein Telefongespräch der Tochter, die mit ihrem baldigen Ehemann am Telefon streitet, ob es nun auf Hochzeitsreise nach Hawaii gehen soll oder ob man nach dem Wunsch der Schwiegermutter in Spee in Japan verreisen soll.

„Im Bad“ ihrer Mutter denkt Yuko Tsushimas Ich-Erzählerin an den schon vor Jahren verstorbenen jüngeren Bruder. Auch die Tochter der Ich-Erzählerin wird bald mit einem unerwarteten Tod zu kämpfen haben.

Bibliographische Angaben:
Araki, Tadao/May, Ekkehard (Hrsg.): „Zeit der Zikaden“ (Übersetzungen aus dem Japanischen: Bartels-Wu, Stella/Boudalfa-Paesler, Heike/Doi, Gisela/Duppel-Takayama, Mechthild/Festerling, Annette/Flögel, Thomas/Gräfe, Ursula/Hierling, Regina/Jacoby, Doris/Schlarb, Hans-Michael/Schnellbächer, Thomas/Schönbein, Martina/Strauß, Katrin/Woldering, Guido), Piper, München 1990, ISBN 3-492-11193-9

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