Labels

Dienstag, 26. März 2013

„Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ herausgegeben von Irmela Hijiya-Kirschnereit

Eine Geisha „umzulegen“ bedeutet in Ryuhoku Narushimas Sinne nicht, was man heutzutage darunter versteht, sondern eher sie „flach zu legen“. Dafür gibt der Autor mit reichlich Freudenviertelerfahrung in seinen „Neue Notizen zu Yanigabashi“ aus dem Jahr 1860 gleich die entsprechenden Tipps. Zu überwinden sind dabei die drei Schwierigkeiten: Erstens sind diese Liederlichkeiten verboten. Zweitens kann sich die Geisha im Gegensatz zur Prostituieren Partner nach eigenem Geschmack aussuchen. Und drittens kann man mit Gewalt bei einer Geisha überhaupt nichts erreichen. Doch es gibt auch die drei Leichtigkeiten: Erstens kann der Kunde an ihre Gefühle appellieren. Zweitens sind Geishas Profis im Flirten und daher zugänglicher als keusche Mädchen. Und drittens sind Geishas sehr wohl auch käuflich. Um bei der Zahl drei zu bleiben – die drei Werkzeuge Geld, Charme und Klugheit führen den Kunden bei geschicktem Einsatz zu seinem Ziel, die Geisha „umzulegen“.

So gibt Ryuhoku Narushima in seinem ersten Buch der „Neue Notizen aus Yanigabashi“ allerhand Einblick in die männliche Kundensicht im Umgang mit Geishas. Im zweiten Buch aus dem Jahr 1874 gibt er einige Anekdoten aus dem Rotlichtviertel zum Besten: Da bringt die eine Geisha mit ihrem flotten Mundwerk zwei Streithähne, die sich an einem politischen Thema festgefressen haben, dazu, sich beim Sake zu versöhnen. Und die andere plappert gar allzu unbekümmert und blamiert den Adeligen aus Kioto.

Die Sicht der Geisha schildert Sayo Masuda in „Geisha – Ein Lebensbericht“. Dieser zweite Teil in „Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ ist identisch mit Sayo Masudas „Die letzte Geisha – Eine wahre Geschichte“, die im Insel Verlag erschienen ist. Sayo Masuda wird bereits als kleines Mädchen das erste Mal verkauft – sie soll den Säugling eines Großgrundbesitzers hüten. Sie kennt weder ihren richtigen Namen und ihre Mutter.

Schließlich wird sie von ihrem Onkel an ein Geisha-Haus verkauft. Auf den ersten Blick scheint sie in einen Märchenpalast gelangt zu sein, dessen Bewohnerinnen nur die traumhaftesten Kleider tragen. Doch sie lernt schnell die Härten des Geisha-Dasein kennen – da wird die „große Schwester“ schon einmal mit dem Brenneisen traktiert, wenn sie nicht gehorcht.

Ein drittes Mal wird Sayo verkauft, als ein Yakuza sie als Mätresse haben will. Als sie sich schließlich in einen anderen Mann verliebt und einen Selbstmordversuch begeht, wird sie vor die Tür gesetzt und muss sich in den letzten Kriegsjahren als stigmatisierte Frau durchschlagen, die ihre Geisha-Vergangenheit geheim halten muss. Glück ist Sayo Masuda leider kaum vergönnt. Der traurige Lebensbericht der Autorin, die erst als Erwachsene schreiben gelernt hat, zeigt den schonungslosen Alltag einer Geisha auf, der keinen Platz für romantisierende Verklärung lässt.

Ergänzt werden diese Werke durch ein lesenswertes Nachwort von Michael Stein, der sich nicht nur den Autoren, sondern auch der Geschichte der Geisha-Kultur widmet.

Bibliographische Angaben:
Hijiya-Kirschnereit, Irmela (Hrsg.): „Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Stein, Michael), Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 1998, ISBN 3-458-16891-5

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen